SVP-Glarner überstimmt
Stimmrechtsalter 16 ist doch noch nicht gestorben

Sollen auch 16-Jährige abstimmen und wählen dürfen? Diese Frage sorgt im Parlament für hitzige Diskussionen. Der Nationalrat zwingt seine Kommission nun, einen Vorschlag auszuarbeiten.
Publiziert: 16.03.2022 um 18:39 Uhr
Aus Sicht der Befürworter des Stimmrechtsalter 16 hat unter anderem der Klimastreik gezeigt, wie politisch interessiert Jugendliche sind.
Foto: Keystone

Das aktive Stimm- und Wahlrechtsalter 16 ist einen Schritt näher gerückt. Der Nationalrat hat es am Mittwoch mit 99 zu 90 Stimmen bei drei Enthaltungen abgelehnt, eine entsprechende parlamentarische Initiative abzuschreiben.

Nun wird ein konkreter Vorschlag für eine Verfassungsänderung ausgearbeitet. Zuständig dafür ist die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) – also jenes Gremium, das die Abschreibung der Initiative von Sibel Arslan (Grüne, 41) beantragt hatte.

SVP-Glarner überstimmt

Der entsprechende Entscheid war im November 2021 allerdings äusserst knapp gefallen, mit 12 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung und dem Stichentscheid von Kommissionspräsident Andreas Glarner (SVP, 59). Er hatte für grosse Empörung im Lager der Befürwortenden gesorgt.

Mit seinem Entscheid am Mittwoch bestätigte der Nationalrat einen früheren Beschluss: Bereits in der Herbstsession 2020 hatte der Nationalrat die parlamentarische Initiative gutgeheissen. In der Folge erklärte sich auch die Staatspolitische Kommission des Ständerats (SPK-S) einverstanden.

Vielen Jungen gehe es angesichts der Krisen der Gegenwart nicht gut, sagte Arslan in der Debatte. In dieser Situation werde die Frage der politischen Beteiligung noch wichtiger. 16- und 17-Jährige seien sehr interessiert an der Politik und die hätten zum Abstimmen und Wählen nötige politische Bildung. Arslan verwies namentlich auf die hohe Zahl junger Menschen an Demonstrationen gegen den Ukraine-Krieg.

Bürgerliche dagegen

Es sei problematisch, wenn jemand zwar abstimmen und wählen, aber keinen Vertrag unterschreiben könne, hielt SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor (57) dagegen. FDP-Politiker Kurt Fluri (66) doppelte nach, künftig könnten Personen über Initiativen abstimmen, die diese nicht unterzeichnen dürften. Dies sei nicht sinnvoll.

Die Gegnerinnen und Gegner einer Neuregelung argumentierten zudem insbesondere mit dem Trend in den Kantonen: In den letzten Jahren wurde in mehreren Kantonen über das Stimmrechtsalter 16 auf kommunaler und kantonaler Ebene entschieden. Fast überall resultierte ein Nein. Bis heute dürfen 16- und 17-Jährige nur im Kanton Glarus abstimmen und wählen.

Es sei nicht stimmig, einerseits das Mindestalter für den Kauf von Zigaretten von 16 auf 18 zu erhöhen, und andererseits das Stimmrechtsalter zu senken, sagte Andri Silberschmidt (ZH) namens der FDP-Fraktion. Dies sei den Leuten nicht zu vermitteln. Die Möglichkeit, sich zu engagieren, hänge zudem nicht vom Stimm- und Wahlrecht ab.

Nebst der Mehrheit der Freisinnigen war auch die SVP-Fraktion für die Abschreibung. Jugendliche hätten oft noch keine gefestigten politischen Ansichten, gab der Tessiner Piero Marchesi (40) zu bedenken. Die Mitte-Fraktion war gespalten.

Demokratie brauche Nachwuchs

Geschlossen für Stimmrechtsalter 16 war die Ratslinke. Die Tessiner Grünen-Nationalrätin Greta Gysin (38) sagte, das Durchschnittsalter der Stimmenden werde immer höher. Dabei seien jene, die von Zukunftsthemen wie dem Klimawandel betroffen seien, von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen.

Auch die SP unterstützte die Initiative Arslans. Die Demokratie sei auf Nachwuchs angewiesen, sagte Nadine Masshardt (37). Das zeige sich in den Gemeinden. Politisches Interesse sei keine Frage des Alters. (SDA)

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