Kein Futter, kein Wasser, zu schwache Elektroschocks
So leiden Tiere auf Schweizer Schlachthöfen

Viele Schlachthöfe missachten die Vorschriften beim Schlachten – mit fatalen Folgen für die Tiere. Das haben Kontrollen im Auftrag des Bundes ergeben.
Publiziert: 14.01.2020 um 15:02 Uhr
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Aktualisiert: 14.01.2020 um 16:50 Uhr
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Viele Schlachthöfe missachten die Vorschriften zum Schutz der Tiere beim Schlachten.
Foto: DUKAS

Der Bund kommt zu einem eindeutigen Schluss: Die meisten der besuchten 67 Schlachthöfe hätten die Vorschriften ungenügend befolgt. Das teilte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) am Dienstag mit.

Es hat im Rahmen seiner Oberaufsicht zehn Prozent der Schlachtbetriebe überprüft. Die Auswahl der Betriebe ist allerdings nicht repräsentativ, da zum Teil solche ausgewählt wurden, die bereits bei früheren Inspektionen auffielen.

Schwere Schweine müssen leiden

Mängel zeigten sich zum einen bei der Unterbringung der Tiere über Nacht. Hier fehlten häufig tierartgerechte Tränken und fast immer Futter, Einstreu, Beschäftigungsmaterial und die Tierkontrolle nach zwölf Stunden, heisst es im Bericht des BLV.

Zum anderen förderten die Kontrollen Mängel bei der Betäubung und beim Entbluten der Tiere zu Tage. Oft wird nicht kontrolliert, ob die Betäubung oder die Entblutung erfolgreich waren. Darunter leiden vor allem Schweine: Bei der Elektrobetäubung von schweren Schweinen sei die Stromleistung nicht immer ausreichend, erklärt das BLV. Tierrechtler kritisieren die Zustände beim Schlachten schon länger.

Schlecht geschulte Mitarbeiter

Die Mängel sind gemäss dem Bericht in der Regel auf fehlendes Bewusstsein beziehungsweise ungenügende Schulung zurückzuführen. Weitere Gründe sind die Hektik im Schlachtprozess und ungenügende Ressourcen. «In fast keinem Betrieb wurde das Tierwohl jedoch absichtlich verletzt», heisst es im Bericht.

Die Betreiber der Schlachtanlagen sind grundsätzlich ab dem Empfang der Tiere für den schonenden Umgang verantwortlich. Der Transport zum Schlachthof, die Aufstallung während der Wartezeit und die Vorbereitung zur Betäubung seien für die Tiere ungewohnte Situationen, die sie beunruhigten und ängstigten, hält das BLV fest.

Kritik an Amtstierärzten

Die Schlachthofbetreiber müssen deshalb alle Vorkehrungen treffen, um die Tiere bis zur erfolgreichen Betäubung und Entblutung möglichst wenig zusätzlich zu belasten. Sie müssen die korrekte Betäubung und Entblutung sowie den Eintritt des Todes regelmässig überprüfen. Es handelt sich dabei um eine obligatorische Selbstkontrolle, welche die Betriebe dokumentieren müssen.

Die amtlichen Tierärztinnen und Tierärzten sind verpflichtet, stichprobenweise eine «Kontrolle der Selbstkontrolle» durchzuführen. Gemäss dem BLV verlangt die Mehrheit der kantonalen Behörden aber von den Schlachtbetrieben keine dokumentierte Selbstkontrolle über den Tierschutz.

Wenig Kontrollen

«Es ist nicht nachvollziehbar, wie die Veterinärdienste die tatsächliche Situation über Unterbringungen, Betäuben und Entbluten im Schlachtbetrieb überwachen», heisst es im Bericht. Vor allem in Betrieben mit geringer Kapazität überprüften nur wenige amtliche Tierärztinnen und Tierärzte, ob die Dokumentation vorhanden und plausibel sei.

Oft konzentrierten sie sich auf die Übernahme der Tiere zu Beginn und auf die Fleischuntersuchung nach Abschluss der Schlachtungen. «Deshalb finden in manchen Betrieben die vorgeschriebenen Tierwohl-Kontrollen zu wenig bis gar nicht statt», schreibt das BLV.

Bund will Betäubungsmethoden anpassen

Es hat nun die zuständigen kantonalen Vollzugsbehörden dazu aufgefordert, bei den mangelhaften Betrieben sofort eine tierschutzkonforme Situation wiederherzustellen. Die Veterinärbehörden hätten diese Sofortmassnahmen eingeleitet, schreibt es.

Tierschutz fordert griffige Sanktionen

Der Schweizer Tierschutz (STS) bezeichnet den Bericht als «alarmierend». Er sehe dringenden Handlungsbedarf, schreibt er in einer Mitteilung. Die festgestellten Mängel seien unter keinen Umständen tolerierbar.

Der STS fordert von den Schlachtbetrieben, dass sie ihre Verantwortung wahrnehmen. Bei Vergehen gegen das Tierschutzgesetz brauche es griffige Sanktionsmöglichkeiten bis zum Entzug der Betriebsbewilligung.

(SDA/sf)

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