Mit einer Motion von Christa Markwalder (FDP/BE) verlangen über 100 Ratsmitglieder einen raschen Wechsel weg von der Ehepaar- und Familienbesteuerung zur Individualbesteuerung. Der Nationalrat nahm die Motion mit 110 zu 76 Stimmen an. Mit Nein stimmten die SVP- und fast die ganze Mitte-Fraktion. Die Motion geht an den Ständerat.
Beim Steuersystem hapere es bei der Gleichstellung von Frauen und Männern, sagte Markwalder. Erwerbsarbeit von Verheirateten werde derart hoch besteuert, dass sich das Zweiteinkommen häufig nicht lohne. Vorstösse für einen Wechsel zur Individualbesteuerung seien schon in den neunziger Jahren eingereicht worden.
«Den Auftrag haben Sie uns schon gegeben», wandte sich Finanzminister Ueli Maurer gegen die Motion. Er erinnerte an die Forderungen der Räte an den Bundesrat, bis zum Ende der Legislatur eine Vorlage zur Individualbesteuerung und zur Besteuerung von Ehepaaren vorzulegen.
Im Herbst wolle der Bundesrat den Räten ein Aussprachepapier präsentieren, sagte Maurer. Die Botschaft solle, wenn das Parlament festgelegt habe, welcher Weg angesichts der beiden sich widersprechenden Anliegen zu verfolgen sei, 2022 folgen.
Für eine individuelle Besteuerung von allen Personen, unabhängig vom Zivilstand, werden zurzeit Unterschriften gesammelt. Im vergangenen März lancierte ein überparteiliches Komitee die Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung». Bis zum 9. September 2022 müssen 100'000 Unterschriften zusammenkommen.
Zum Initiativkomitee gehören unter anderem alt Bundesrätin Ruth Metzler (CVP), Motionärin Markwalder, Nationalrat Martin Landolt (BDP/GL), Ständerätin Eva Herzog (SP/BS), Ständerat Daniel Jositsch (SP/ZH), Valentin Vogt, Präsident des Arbeitgeberverbandes, und Adrian Wüthrich, Präsident des Gewerkschaftsdachverbands Travail.Suisse.
2016 lehnte das Stimmvolk die Volksinitiative der CVP «Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe» äusserst knapp ab. Weil der Bund falsche Zahlen vorgelegt hatte, entschied das Bundesgericht später, dass die Abstimmung aufzuheben sei. Im Februar 2020 zog das CVP-Initiativkomitee sein Volksbegehren zurück.
(SDA)