In zwei Wochen eröffnet die Schweiz den längsten Eisenbahntunnel der Welt. Doch im Vorfeld der Mega-Feier am 1. Juni kommt Missstimmung auf – ausgerechnet das heikle Thema Religion gibt zu reden.
Ein Imam, ein Rabbiner, ein Konfessionsloser und Martin Werlen, der ehemalige Abt des Kloster Einsiedelns, sollen den Gotthard-Basistunnel segnen. Weil kein Vertreter der reformierten Kirche dabei ist, sind viele Protestanten enttäuscht. Selbst der katholische CVP-Präsident Gerhard Pfister findet die Zusammensetzung der religiösen Delegation «unsensibel».
Nun meldet sich auf Anfrage auch alt Bundesrat Adolf Ogi (73) zu Wort. Der als Vater der Neat geltende SVP-Politiker sagt, er habe viele Briefe aus der Bevölkerung zum Thema erhalten – «obwohl ich seit 15 Jahren nicht mehr im Bundesrat bin». Und der Kandersteger bekennt: «Als gläubiger Protestant kann ich den Unmut verstehen.» Ogi hält fest, dass er «keineswegs einen Religionskonflikt heraufbeschwören» wolle. Doch es sei «eine Respektlosigkeit» und zeuge «von mangelnder Sensibilität», 26 Prozent der Bevölkerung vom religiösen Teil der Eröffnungsfeier «auszuschliessen».
Der langjährige Verkehrsminister spricht Klartext: «Ich erwarte, dass das Bundesamt für Verkehr und die SBB diesen Fehler korrigieren.» Ansonsten brauche es «ein Machtwort von Bundesrätin Doris Leuthard oder Bundespräsident Johann Schneider-Ammann». Kein Protestant dabei, dafür ein Vertreter der Konfessionslosen – das hält Ogi für einen «ungeschickten Schachzug». Eine Ausladung von bereits eingeladenen Gästen sei aber «zum jetzigen Zeitpunkt wohl nicht mehr möglich».
Dölf Ogi erinnert daran, dass die Schweiz «seit 1848 und dem Sonderbundskrieg» in «Frieden und Freiheit» lebt. Wer die Geschichte der Eidgenossenschaft kenne, müsse wissen, dass man die Feier «am nationalen Symbol Gotthard» so nicht machen könne. Für den Neat-Begründer ist klar: «Sollten die Behörden die Situation nicht korrigieren, fände das Fest unter einer schwarzen Wolke statt.» Er wünsche sich aber «eine fröhliche, sonnige Feier». Und zur Schweiz gehörten nun mal Katholiken und Protestanten. «Deshalb wäre es unschweizerisch, einen Schweizer Tunnel ohne protestantischen Vertreter einzuweihen.» Bei der Eröffnungsfeier des Lötschberg-Basistunnels 2007 habe man schliesslich auch die «richtige Mischung gefunden» und beide Konfessionen teilhaben lassen. Das zuständige Bundesamt für Verkehr teilt mit, dass es derzeit keine Neuigkeiten gebe. Offenbar laufen aber Gespräche. Ob die Intervention aus Kandersteg BE etwas bewirkt, zeigt sich wohl in den nächsten Tagen.