In der St. Galler Fassung von Anita Augustin ist Josef K. ein aufstrebender Angestellter der Schweizer Privatbank «Gallus und Söhne". An seinem 30. Geburtstag wird «Ka» zum «Mitarbeiter des Jahres» gekürt; doch noch während der Feier wird er verhaftet. Ka versucht das Ganze als Scherz abzutun, auch wenn er von zwei Wächtern abgeführt wird.
Probe am Theater St. Gallen: Auf der Bühne sind 10 Schauspieler und 10 Puppenspieler und ein Musiker in ihr Spiel vertieft. Von den Rängen aus geben zwei Regisseure und zwei Dramaturgen Anweisungen. Ab und zu schaltet sich eine der beiden Regieassistentinnen ein. Weiter hinten im Saal koordinieren zwei Techniker Licht und Ton.
«Der Probenbetrieb ist mit einem enormen Aufwand verbunden», erklärt Dramaturgin Anja Horst. Regisseur Jonas Knecht geht noch einen Schritt weiter: «Es ist das absolut Schwierigste, was ich je auf die Bühne gebracht habe.»
Der Schauspieldirektor des Theaters St. Gallen hat eine Schwäche fürs Puppenspiel. Während seiner Ausbildung hat er am Figurentheater St. Gallen «Heidi, das Original» aufgeführt. Das Konzept erarbeitete er zusammen mit Markus Joss, der ebenfalls an der Hochschule für Schauspielkunst (HfS) «Ernst Busch» in Berlin studierte.
Fast 20 Jahre später kommt es zu einer weiteren Zusammenarbeit der beiden in St. Gallen. «Am Anfang des Projekts stand Grössenwahn», sagt Markus Joss, seit 2013 Leiter der Abteilung Zeitgenössische Puppenspielkunst an der HfS «Ernst Busch» in Berlin.
Kooperationen mit Theatern sind fester Bestandteil des Studienplans. Jeweils im vierten Studienjahr wirken die Studierenden in einer Produktion mit. «Das Zusammenspiel der Formen, also Puppenspiel und Schauspiel oder Musiktheater ist jedes mal ein spannendes Arbeitsfeld», so Joss. Die Spielform müsse jedes Mal neu erfunden werden.
Die Puppen wurden eigens für das Stück entwickelt. «Wir haben die tolle Situation, dass wir eine Werkstatt mit zwei Puppenbauern haben», erklärt Joss. Für das Stück am Theater St. Gallen wurden zudem laufende Schuhe entwickelt, die über eine Fernsteuerung geführt werden können.
Auf der Bühne hat es Puppen in unterschiedlicher Grösse und Form, mal nur ein Kopf mit Torso, mal ein Kopf mit Beinen, dann wieder ein ganzer Mensch, der von bis zu drei Puppenspielerinnen geführt wird. Eines haben alle Puppen gemein, sie können den Mund nicht öffnen.
«Die Puppen helfen, die fragmentierte Welt, die im Stück manchmal nicht zu verstehen ist, darzustellen», sagt Jonas Knecht. Das Zusammenspiel von Puppen und Menschen auf der Bühne habe sich förmlich aufgedrängt. Die Puppen stehen für das Kafkaeske, sie sollen bei den Zuschauern die Imagination in Gang setzen.
Der Prozess des Probens sei mit den Puppen viel komplexer und zeitaufwendiger. Die Puppenspieler müssen nicht nur ihren eigenen Körper organisieren, sondern auch jenen der Puppen, betont Joss. Für die Puppenspieler wurde mit Podesten eine zusätzliche Ebene geschaffen, wo sie mit den Puppen Halt finden. «Ansonsten hätten sie immer auf den Knien spielen müssen», so Markus Joss.
Die zuerst wohlgeordnete Welt des Protagonisten Ka wird im Verlauf der Geschichte immer surrealer, die Grössenverhältnisse und Perspektiven verschieben sich, die Logik ist aufgehoben. Die Menschen, denen er begegnet, kann er immer weniger verstehen - auch weil sie keine Menschen mehr sind, sondern teilweise zu Puppen geworden sind.
Das Schauspiel feiert am 10. Januar im Grossen Haus des Theater St. Gallen seine Uraufführung.
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(SDA)