Schon die Spielfigur an und für sich irritiert: Aus dem normalerweise durch und durch maskulinen Monstertypus des Ork aus der Fantasywelt wurde eine Transgender-Figur: sehr muskulös zwar, aber mit weiblichen Attributen wie Brüsten oder Rossschwanz-Frisur ausgestattet.
Und auch sonst hintertreibt der griechische Künstler Theo Triantafyllidis das Muster der Fantasy-Games. Wo Mann und Frau, Elfen und Monster normalerweise mit Schwertern, Blitzen und Donnerkeilen aufeinander losgehen, herrscht in dieser Version himmlischer Frieden in einem schönen Kornfeld, durch das man sich mit dem Transgender-Ork bewegen kann.
Die bildende Kunst hat sich in den 1990er-Jahren bereits mit der schönen neuen und vor allem sich kommerziell überschlagenden Welt der Video- und Computerspielen befasst, wie der Ausstellungskurator Boris Magrini am Mittwoch an der Medienführung im Haus der Elektronischen Künsten sagte. Damals geschah dies aber eher aus einer distanziert reflektierenden Warte aus.
Heute tauchen Künstlerinnen und Künstler direkter in die Game-Welten ein, indem sie selber Spiele erschaffen, immersive Umgebungen kreieren, interaktive Geschichten erzählen und Multimedia-Installationen errichten.
Anders als in der kommerziellen Game-Welt geht es ihnen dabei nicht in erster Linie um oberflächlichen Thrill oder Spass - wobei es zugegebenermassen auch tiefgründige Spielszenarien gibt. Im Sinne des Begriffs «Radical Gaming» stemmen sich viele Künstlerinnen und Künstler gegen die Stereotypen dieser Game-Welt. Statt in Schnitzeljagden oder Kriegsszenarien taucht man in politische Themen ein, werden Genderfragen oder Fragen der Sexualität aufgeworfen.
Das kann auf ganz hintergründig-witzige Art geschehen wie im Game «Black Room» der amerikanischen Künstlerin Cassie McQuater. Sie hat sich weiblich Charaktere aus mehr oder weniger berühmten Videospielen angeeignet. In einem cyberfeministischen Akt erhalten diese meist nur in Nebenrollen auftretenden weiblichen Figuren nun eine eigene Geschichte als Hauptdarstellerinnen.
Oder es kann wie beim Werk «Eroticissima» auch ganz schön ans Eingemachte gehen. In einem Raum, der nur für Personen ab 16 Jahren offen ist, hat die venezolanische Künstlerin Miyö Van Stenis ein erotisches Virtual-Reality-Multiplayer-Spiel geschaffen, das aber mit den Geschlechter-Stereotypen der Porno-Industrie bricht.
Interaktiv sind alle präsentierten Werke, die sich letztlich nur über Spielkonsolen, Touchscreens oder Datenbrille erfassen lassen. Nicht immer machen es einem die Künstlerinnen und Künstler - sie stammen aus Europa, den USA, Russland, Südamerika, China und Indien - einfach, sich in der Welt ihrer Games zurecht zu finden. Aber das kann ja durchaus auch in der kommerziellen Welt der Video- und Computerspiele der Fall sein.
Die Ausstellung «Radical Gaming» im Haus der Elektronischen Künste auf dem Dreispitz-Areal in Münchenstein dauert bis 14. November 2021.
(SDA)