Diese Aussage lässt sich auf den diesjährigen Eröffnungsfilm «Moskau einfach!» beziehen, der an den Schweizer Fichenskandal erinnert. Zwar ist die in Solothurn uraufgeführte Komödie von Micha Lewinsky eine Zeitreise in die Zeit des Kalten Krieges. Doch auch heute, 30 Jahre später, verstöre uns die Geschichte noch, sagte Berset und erwähnte die heute noch viel zahlreicheren Möglichkeiten der Überwachung.
Der Film spielt im Herbst 1989. Während in Berlin bald die Mauer fällt, wird der Polizeibeamte Viktor (Philippe Graber) undercover ins Zürcher Schauspielhaus geschleust, um Informationen über linke Theaterleute zu sammeln. Als er sich in die Schauspielerin Odile (Miriam Stein) verliebt, beginnt sein grosses Dilemma.
Eine aktuellere aber ebenso aufdeckende wie aufrüttelnde Funktion haben die Dokumentarfilme, auf denen dieses Jahr ein starker Fokus liegt. Darunter fallen etwa drei für den «Prix de Soleur» nominierte Erstlingsfilme. Die Westschweizer Regisseurin Boutheyna Bouslama sucht in ihrem ersten langen Dokumentarfilm «À la recherche de l'homme à la caméra» nach einem im Syrienkrieg verschollenen Medienaktivisten.
Auch Filmemacher Mischa Hedinger widmet sich der Macht der Bilder. Sein Film «African Mirror» ist eine Aufforderung, ausgehend von den Reportagen des Reiseschriftstellers René Gardis, über unser Afrikabild nachzudenken.
Regisseur Jonas Schaffter erzählt in «Arada» von drei Männern, die in der Schweiz aufwuchsen, straffällig wurden und sich mit der Ausschaffung ins Herkunftsland ihrer türkischen Eltern konfrontiert sehen.
Lockerflockige Themen sucht man im Wettbewerb um den zwölften Hauptpreis vergeblich. Das diesjährige Programm stehe «im Zeichen dessen, was unser Land umtreibt: Vom Klimawandel über die Migration bis zur Unsicherheit im Arbeitsleben», fasste Berset die Inhalte zusammen. Optimistischer ausgedrückt wurde dies im Vorfeld in den Presseunterlagen. Da steht, dass die Werke «durch ihren ausgeprägten Humanismus» überzeugten.
In Esen Isiks «Al-Shafaq» beispielsweise geht es um die Abgründe des religiösen Fanatismus im türkisch-syrischen Grenzgebiet. «Volunteer» von Anna Thommen und Lorenz Nufer zeigt freiwillige Helferinnen und Helfer aus der Schweiz, die auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise in Griechenland und auf dem Balkan im Einsatz stehen.
Regisseurin Sabine Boss widmet sich in «Jagdzeit» einer anderen aktuellen Problematik. Sie zeigt in dem auf wahre Begebenheiten beruhenden Spielfilm einen Finanzchef, der unter enormem Leistungsdruck steht.
Alain Berset betonte die Wichtigkeit des Schweizer Films in der heutigen Zeit. «Je schneller die gesellschaftlichen Veränderungen, desto wichtiger wird es, dass wir die reale, aktuelle Schweiz auch im Medium Film erleben - sonst erstarrt unser Selbstbild.» Und wenn das passiere, dann würde dies den Zusammenhalt unserer vielfältigen Gesellschaft nicht stärken, sondern schwächen.
Die Solothurner Filmtage, die ersten unter der Leitung der neuen Direktorin Anita Hugi, dauern bis am 29. Januar und enden mit der Vergabe des «Prix de Soleur". Bis dahin stehen insgesamt 178 Schweizer Filme auf dem Programm. Zum ersten Mal stammen die kurzen und mittellangen Filme zu gleichen Teilen von Männern und Frauen, wie Hugi in ihrer Debüt-Eröffnungsrede sagte.
www.solothurnerfilmtage.ch
(SDA)