Bildung
Fachleute plädieren für spielerisches Lernen in Informatik

Kinder hüpfen mit nummerierten Zetteln in der Hand in einem mit Kreide aufgemalten Parcours von Feld zu Feld. Was anmutet wie eine Partie Himmel und Hölle, ist womöglich der Informatik-Unterricht der Zukunft.
Publiziert: 11.08.2017 um 10:17 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 23:13 Uhr
Kinderhände an der Tastatur: Fachleute plädieren dafür, in der Schule spielerisch Grundlagen in Informatik zu vermitteln.
Foto: KEYSTONE/AP/ELAINE THOMPSON

Fachleute plädieren dafür, spielerisch mehr Grundlagenwissen statt Anwendung zu vermitteln. Der Lehrplan 21 bringt neben einheitlichen Lerninhalten für Deutschschweizer Volksschulen auch das neue Fach «Medien und Informatik» verbindlich in die Schulstuben.

Und in Zeiten des Fachkräftemangels drängen Organisationen aus Wirtschaft und Bildung darauf, die Schulkinder früh auf einen von Informationstechnologie geprägten Alltag vorzubereiten.

Unter dem Motto «Informatik macht Schule» fordert eine Gruppierung, dass die Informatik auf allen Stufen verankert und ausreichend mit Lektionen dotiert wird. «Für uns ist es wichtig, dass das Schulfach eine kreative Tätigkeit ermöglicht», sagt Patrick Burkhalter, Verwaltungsratspräsident der Softwarefirma Ergon Informatik, der eine treibende Kraft hinter dem Aufruf war.

Es soll in der Schule nicht in erster Linie darum gehen, den Computer bedienen zu lernen. Die Kinder sollen vielmehr Grundlagen der Informatik verstehen und analytisches Denken üben. Dies sei heute in den meisten Berufen unentbehrlich.

Juraj Hromkovič, Professor für Informationstechnologie und Ausbildung an der ETH Zürich, will, dass Kinder im Informatik-Unterricht tüfteln und selbst etwas entwickeln können. «Da ist die Schule heute zu passiv», sagt der Forscher, der sich seit Jahren für die Vermittlung von Informatikkompetenz im Kindesalter einsetzt.

Aber solcher Unterricht ist anspruchsvoll und braucht genügend Zeit. Der Lehrplan 21 gibt keine Lektionenzahl vor, die Kantone sind in der Gestaltung ihrer Stundentafeln frei. Oft sehen sie erst ab der Sekundarstufe eigene Gefässe vor. Jüngeren Kindern sollen die Kompetenzen in anderen Fächern vermittelt werden.

Im Kanton Basel-Stadt, der den Lehrplan 21 bereits 2015 einführte, gehen die Schulen die Umsetzung des Informatik-Unterrichts in der sechsjährigen Übergangsfrist «unterschiedlich und erprobend» an, wie das Erziehungsdepartement auf Anfrage mitteilt. Ein Hemmnis sei zum Teil die aktuelle IT-Infrastruktur.

Burkhalter und seine Mitstreiter sähen es gerne, wenn Kinder bereits ab der Primarstufe ein bis zwei Lektionen pro Woche in «Medien und Informatik» unterrichtet würden. Hromkovič schlägt vor, mit wenigen Stunden anzufangen und auszubauen, sobald der Unterricht von hoher Qualität ist.

«Auf jeden Fall kann man kann nicht mehr vor der Informatik weglaufen», sagt Hromkovič weiter. Die kantonalen Erziehungsdirektoren arbeiten darauf hin, dass Informatik am Gymnasium zum Pflichtfach wird. Nicht zuletzt dadurch komme auch in der Romandie, die nicht dem Lehrplan 21 folgt, einiges in Bewegung. So engagiere sich die ETH Lausanne (EPFL) in der Vermittlung von Informatik in der Schule.

Der Mehrwert einer grundlegenden Informatikbildung liegt für Hromkovič indes nicht nur im Fachwissen. Kinder lernen, konstruktiv etwas zu gestalten, haben dabei auch Erfolgserlebnisse. «Dies ist eine Bereicherung für alle Fächer und die Allgemeinbildung», ist der Forscher überzeugt.

Dass die Kinder sich von solchem Unterricht begeistern lassen, hat der ETH-Professor schon mehrfach erfahren. In über 100 Primarschulen hat er mit seinen Assistenten Blockkurse geleitet. «Wir hatten jeweils Mühe, die Kinder in die Pause oder nach Hause zu schicken, wenn sie ihre Projekte noch nicht abgeschlossen hatten», so Hromkovič.

Der Unterricht war auf die Schülerinnen und Schüler ausgelegt, diente aber gleichzeitig den Lehrkräften als Fortbildung. Hromkovič hat Verständnis dafür, dass nicht alle Lehrpersonen in Jubel ausbrechen, wenn sie sich nun im Rahmen ihrer angestammten Fächer auch noch mit Informatik beschäftigen sollen. Seine Kurse hätten viele Ängste in der Lehrerschaft abgebaut.

Für die Lehrerbildung sind in der Schweiz die Pädagogischen Hochschulen zuständig, und nicht alle sähen es gerne, wenn sich die ETH einmischt, so Hromkovič. Er bemängelt, dass die Informatik an manchen PH zu kurz komme.

Der Auftrag, Informatik an Lehrkräfte zu vermitteln, sei für die Pädagogischen Hochschulen neu, sagt Rahel Tschopp, Weiterbildungsverantwortliche der PH Zürich. Das Interesse an der ersten Lehrerweiterbildung für die Mittelstufe war gross: Der Kurs im Umfang von 90 Arbeitsstunden, der ab August 530 Lehrpersonen offensteht, war im Nu ausgebucht.

Die Lehrerbildung ist dennoch eine der grossen Herausforderungen für die Implementierung des Moduls «Medien und Informatik». Auch die Plattform «Informatik macht Schule» warnt, mit einer «Schnellbleiche» sei es nicht getan. Sie appellierte an die Kantone und die pädagogischen Hochschulen, sie sollten zusammenarbeiten um gute Unterrichtsmaterialien bereitzustellen.

Hromkovič sagt dazu. «Es existiert bereits alles. Man muss es nur nehmen.»

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