In rund 30 Städten gingen Zehntausende Slowaken auf die Strasse, um eine neue Regierung und eine unabhängige, internationale Untersuchung des Mordes an Journalist Jan Kuciak zu fordern. Das Motto: «Stellen wir uns hin für eine anständige Slowakei». In Bratislava allein demonstrierten laut Organisatorin Karolina Farska (19) 50'000 Menschen.
Slowakische Unis hatten den Studenten am Freitagnachmittag freigegeben. Sie sollten sich nicht zwischen Vorlesung und historischen Demonstrationen entscheiden müssen. Und die Proteste sind historisch.
«Mit der Wahrheit für eine anständige Slowakei»
BLICK war bei der Demo in Bratislava vor Ort. Zahlreiche Redner aus allen Teilen der Gesellschaft traten auf: Lehrer, Vertreter des Gesundheitssektors, Künstler und Maria Kuciakova (24), die Schwester des ermordeten Journalisten Jan Kuciak (†27), dessen Konterfei so viele Plakate an diesem Freitag zierte.
Kuciakova ermahnt in ihrer Rede die Menschen, friedvoll zu demonstrieren. Das tun sie auch, die Demonstration ist insgesamt sehr ruhig.
Auf Plakaten stehen Sprüche wie «Mit der Wahrheit für eine anständige Slowakei» oder «Abtreten!». Die Banner und Schilder richten sich gegen Regierungschef Robert Fico (53). Immer wieder werden Rufe laut wie «Genug von Fico!» und «Durchhalten!».
Wie in der «samtenen Revolution»
Viele der heute Anwesenden sind jung, einige Familien. Aber es sind auch solche da, die die «samtene Revolution» 1989 miterlebt, zum Teil auch demonstriert haben. Damals holten die Slowaken ihre Hausschlüssel aus den Taschen und machten damit an den Demos gegen die damals sozialistische Führung mächtig Lärm.
Die Schlüssel hatten zwei Bedeutungen. Zum einen sollten sie symbolisieren, dass man Türen und damit fürs Land ein neues Kapitel öffnet. Zum anderen sollten sie den Regierenden nahelegen, dass sie nach Hause gehen sollten.
An diesem Freitag holen die Slowaken wieder ihre Schlüssel aus den Hosentaschen, machen Lärm gegen die Regierung. Ein gewaltiges Zeichen.
«Wir werden von der sogenannten Elite belogen»
Die Demonstrierenden sagen Sätze wie: «Wir werden von der sogenannten Elite belogen.» Sie wollen nicht hinnehmen, dass das Land einen Abfluss an talentierten, jungen Menschen hinnehmen muss, die ins Ausland gehen, weil sie in der Slowakei keine Zukunft sehen.
Das sieht auch eine Rentnerin so. Sie beschwert sich über die «grossen Villen» der reichen Politiker, während sie mit einer kleinen Rente um die Runden kommen müsse.
Zum Schluss ertönt die slowakische Nationalhymne aus Tausenden Mündern. In einer Zeile heisst es: «Brüder, lasst sie uns aufhalten!»