Schweizer Unternehmen haben im ersten Halbjahr 2020 Kriegsmaterial im Wert von 501 Millionen Franken exportiert. In der entsprechenden Vorjahresperiode war mit 273 Millionen Franken nur gut die Hälfte dieses Volumens ins Ausland verkauft worden.
Die Beinahe-Verdoppelung im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 springt ins Auge. Dabei machten Panzer und andere Landfahrzeuge den grössten Anteil an den Exporten aus.
Grosse Schwankungen seien normal
Ein solcher Sprung sei nicht aussergewöhnlich, heisst es auf Anfrage beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), das die Zahlen heute veröffentlichte. Kriegsmaterialexporte seien Schwankungen unterworfen: Grosse Geschäfte mit einem hohen finanziellen Umfang könnten einzelne Quartale stark beeinflussen und fehlten dann im nächsten Quartal.
Auf der aktuellen Liste der Exportländer erscheinen 55 Staaten. Dabei handelt es sich jeweils um das Bestimmungsland – also jenes Land, in dem die Ware «verwendet oder vor einer allfälligen Wiederausfuhr verarbeitet, veredelt oder sonst wie verarbeitet wird», wie das Seco festhält.
Indien, Botswana und Dänemark
Unter den europäischen Abnehmerstaaten steht Dänemark mit gut 80 Millionen Franken für gepanzerte Fahrzeuge an erster Stelle, gefolgt von Rumänien (knapp 58 Millionen Franken, ebenfalls für gepanzerte Fahrzeuge) und Deutschland (gut 50 Millionen Franken für Munition, verschiedene Einzelteile und Baugruppen zu Kanonen und gepanzerten Fahrzeugen sowie Hand- und Faustfeuerwaffen).
Der absolut grösste Importeur von Schweizer Kriegsmaterial ist dieses Jahr bisher Indonesien mit gut 110 Millionen Franken für Flugabwehrsysteme. Aber auch Botswana im südlichen Afrika fällt mit gut 64 Millionen Franken für gepanzerte Fahrzeuge auf.
«Zunahme ist schockierend»
Kopfschütteln und Unverständnis kommen von der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) und dem Hilfswerk Terre des hommes. «Die deutliche Zunahme ist nicht nur schockierend in Bezug auf die internationale Rolle der Schweiz, sondern auch in Bezug auf das Verhalten der Rüstungsindustrie», lässt sich Thomas Bruchez, politischer Sekretär der GSoA, in einer Mitteilung zitieren.
Seit Jahren klage die Rüstungsindustrie darüber, wirtschaftlich zu leiden, um eine Lockerung der Exportkriterien zu erreichen. Und jetzt, in einer Zeit, in der viele Betriebe ums Überleben kämpften, gehe es ihr blendend. Das sei «widerlich».
Wie bereits seit mehreren Jahren versorge die Schweiz die kriegführenden Länder im Jemen-Krieg weiterhin mit Kriegsmaterial. So seien Waffen im Gesamtwert von fast 5 Millionen Franken nach Saudi-Arabien, an die Vereinigten Arabischen Emirate sowie nach Katar und Bahrain exportiert worden. Diese Zahlen verdeutlichten einmal mehr, wie wichtig die Korrektur-Initiative sei, so Bruchez.
Volksinitiative in der Pipeline
Auf das Volksbegehren verweist auch Terre des hommes. «Es braucht eine stärkere demokratische Kontrolle der massiv steigenden Waffenexporte», schreibt Andrea Zellhuber von der Fachstelle Gewaltprävention bei Terre des hommes Schweiz. Die Entwicklungsorganisation für Jugendliche in Afrika, Lateinamerika und der Schweiz engagiere sich in der «Allianz gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer». «Wir sehen in der Korrektur-Initiative eine wichtige Chance, um die Lockerung der Bewilligungskriterien rückgängig zu machen», so Zellhuber.
Die Volksinitiative gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer (Korrektur-Initiative) war von der Allianz im vergangenen Sommer nur rund ein halbes Jahr nach ihrer Lancierung eingereicht worden. Die Initiative will kein absolutes Verbot von Kriegsmaterialexporten. Sie verlangt aber, dass keine Schweizer Waffen in Länder exportiert werden dürfen, die die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen oder in ein Land, in dem Bürgerkrieg herrscht oder das in einen Konflikt verwickelt ist.
Die Verankerung dieses Verbots auf Verfassungsebene geht dem Bundesrat zu weit. Er schickte daher zwei Gegenvorschlagsvarianten in die Vernehmlassung, die am 29. Juni zu Ende gegangen ist. (SDA)