«Weniger Auswahl, steigende Preise!», warnen die Gegner der beiden Agrar-Initiativen auf grossen Plakaten. Vor allem um die Kosten der von den Grünen lancierten Fair-Food-Initiative ist ein Streit entbrannt – sodass sich nun auch Bauernchef und CVP-Nationalrat Markus Ritter (51) in die Debatte einschaltet. «Economiesuisse erzählt Lügenmärchen», wettert er im BLICK.
Was die Kosten der Fair-Food-Initiative betrifft, gehen die Meinungen weit auseinander. Und um Letzteres handelt es sich tatsächlich, denn Studien zum Thema gibt es nicht. Für die Stimmbürger wird die Preisfrage damit zur Vertrauensfrage!
BLICK zeigt deshalb die wichtigsten Akteure im Preiskampf und ihre Kostenprognose.
Der Wirtschaftsmann
Stimmt das Volk am 23. September der Fair-Food-Initiative zu, könnten die Lebensmittelpreise massiv ansteigen, warnt der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. «Langfristig um bis zu 50 Prozent», rechnete Economiesuisse-Mann Roger Wehrli (40) kürzlich im SonntagsBlick vor. Denn: «Die Initianten nannten bei der Lancierung das Ziel, dass langfristig der Bio-Standard der Standard für die Schweizer Lebensmittel sein soll.»
Wehrli stützt sich dabei auf eine Erhebung des Bundesamts für Landwirtschaft: Demnach koste heute ein Warenkorb aus 25 biologisch hergestellten Lebensmitteln 48,1 Prozent mehr als dasselbe Angebot aus konventionell hergestellten Lebensmitteln. Zusätzlich würden noch Kontrollkosten anfallen, da der Staat die Produktionsart und die Qualität der Lebensmittel im In- und Ausland kontrollieren müsse.
Der Bauer
«Das ist ein Lügenmärchen», schimpft Bauernchef Markus Ritter (51) über das Economiesuisse-Horroszenario. Im schlimmsten Fall sei mit einer Preissteigerung «um drei bis fünf Prozent» zu rechnen, so Ritter. Seine Rechnung ist einfach: Konsumenten und Gastronomie kaufen jährlich Lebensmittel für 63 Milliarden Franken. Die Importe machen dabei sechs Milliarden aus. «Nur dieser Teil ist von der Initiative betroffen», so Ritter.
Selbst wenn man hier die von Economiesuisse veranschlagten Kosten von 50 Prozent draufschlage, gehe es um gerade mal drei Milliarden Franken. «Das wären nicht einmal fünf Prozent der Gesamtkosten. Und dieses Extrem-Bio-Szenario ist absolut realitätsfern.» Für Ritter ist die Initiative sogar fast gratis zu haben: Wenn man den Spielraum bei den «hohen Margen» nutze, «lässt sich Fair Food praktisch ohne Preissteigerung umsetzen».
Die Initiantin
«Unser Ziel ist eine bessere Qualität von Lebensmitteln», sagt Grünen-Chefin Regula Rytz (56). «Dass die Preise steigen würden, ist völlig aus der Luft gegriffen.» Es gebe nämlich keine einzige Studie zu diesem Thema. «Das musste auch der Bundesrat zugeben.»
Für Rytz ist aber klar, dass «Produkte, die heute mit Sklavenarbeit und Tierquälerei hergestellt werden, nicht mehr zu Dumpingpreisen verfügbar sind». Das könne etwa bei importiertem Fleisch der Fall sein, «wenn spottbilliges, ungesundes Hormonfleisch aus den Regalen verschwindet».
Umgekehrt sieht die Berner Nationalrätin auch Sparpotenzial: «Nachhaltige Produkte von ausländischen Kleinbauern werden günstiger, da sie mit tieferen Zöllen gefördert werden können.» Grossen Spielraum sieht Rytz zudem bei den Zwischenhändlern: «Bei Massentierhaltungsfleisch wird extrem viel abkassiert.» Und schliesslich sieht sie auch beim Foodwaste viel Einsparungspotenzial: «Werden weniger Lebensmittel weggeworfen, entlastet das auch das Portemonnaie der Konsumenten.»
Ihr Fazit: «Unter dem Strich dürfte sich preislich wenig ändern.»
Die Konsumentenschützerin
Ihre Partei, die SP, hat zwar die Ja-Parole zur Fair-Food-Initiative beschlossen. Trotzdem steht SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (59, LU) der Initiative kritisch gegenüber. Die Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz ist für Stimmfreigabe. Was sie persönlich am 23. September auf dem Stimmzettel schreibt, will sie nicht verraten.
Ihre Bedenken sind aber klar: «Höhere Anforderungen an importierte Produkte werden sich in den Lebensmittelpreisen bemerkbar machen. Höhere Lebensmittelpreise sind für sozial schwächere Menschen aber ein Problem, denn bei ihnen machen die Auslagen für Lebensmittel einen grösseren Anteil ihres frei verfügbaren Einkommens aus.»
Wie stark sich die Lebensmittel verteuern könnten, könne sie aber nicht sagen. Nur so viel: «Die Initiative ist nicht gratis zu haben. Sie hat ein Preisschild!»
Der Bundesrat
Auch der Bund warnt vor einer Verteuerung der Lebensmittel – und begründet dies in erster Linie mit zusätzlichem Kontrollaufwand, der sich auf die Preise niederschlagen würde. Allerdings hütet sich SP-Bundespräsident Alain Berset (46), konkrete Zahlen auf den Tisch zu legen.
Die Preissteigerung hänge von der Umsetzung der Initiative durch das Parlament ab, so Berset im Juli an einer Medienkonferenz. Diese könne restriktiver oder grosszügiger ausfallen. «Deshalb kann man die finanzielle Kosten nicht genau benennen.»
Das zuständige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen hält zudem fest: «Es wäre unseriös zu sagen, was im Fall einer Annahme der Initiative wie viel teurer würde.»
Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.
Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.
Am 23. September entscheidet die Schweiz gleich über zwei Agrar-Vorlagen: die Fair-Food-Initiative der Grünen und die Initiative für Ernährungssouveränität von der Bauerngewerkschaft Uniterre.
Mit Fair Food wollen die Grünen Lebensmittel aus einer naturnahen, umwelt- und tierfreundlichen Landwirtschaft mit fairen Arbeitsbedingungen fördern. Ob inländische oder importierte Produkte soll dabei keine Rolle spielen.
Der Bund kann dafür Vorschriften zur Zulassung und Deklaration von Lebensmitteln erlassen. Über Zollkontingente und Einfuhrzölle kann er die Lebensmittelimporte steuern. Weiter soll der Bund regional und saisonal produzierte Lebensmittel fördern und Massnahmen gegen die Lebensmittelverschwendung ergreifen.
Die von der Bauerngewerkschaft Uniterre lancierte Volksinitiative für Ernährungssouveränität ist radikaler als die Fair-Food-Initiative. So soll die Versorgung mit überwiegend einheimischen Lebens- und Futtermitteln erfolgen. Zudem soll Gentechnik unbefristet verboten werden. Weitere Forderungen sind etwa die Erhöhung der Anzahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft und das Verbot für Subventionen zugunsten von Lebensmittelexporten.
Am 23. September entscheidet die Schweiz gleich über zwei Agrar-Vorlagen: die Fair-Food-Initiative der Grünen und die Initiative für Ernährungssouveränität von der Bauerngewerkschaft Uniterre.
Mit Fair Food wollen die Grünen Lebensmittel aus einer naturnahen, umwelt- und tierfreundlichen Landwirtschaft mit fairen Arbeitsbedingungen fördern. Ob inländische oder importierte Produkte soll dabei keine Rolle spielen.
Der Bund kann dafür Vorschriften zur Zulassung und Deklaration von Lebensmitteln erlassen. Über Zollkontingente und Einfuhrzölle kann er die Lebensmittelimporte steuern. Weiter soll der Bund regional und saisonal produzierte Lebensmittel fördern und Massnahmen gegen die Lebensmittelverschwendung ergreifen.
Die von der Bauerngewerkschaft Uniterre lancierte Volksinitiative für Ernährungssouveränität ist radikaler als die Fair-Food-Initiative. So soll die Versorgung mit überwiegend einheimischen Lebens- und Futtermitteln erfolgen. Zudem soll Gentechnik unbefristet verboten werden. Weitere Forderungen sind etwa die Erhöhung der Anzahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft und das Verbot für Subventionen zugunsten von Lebensmittelexporten.