Die Volksinitiative «Organspende fördern - Leben retten» fordert einen Systemwechsel. Sie will, dass Personen, die Organe spenden möchten, vor ihrem Tod nicht explizit einer Organentnahme zustimmen müssen, sondern bereits ein vermuteter, nicht ausdrücklich festgehaltener Wille der betroffenen Person ausreicht. Dieser Vorschlag ist unter dem Begriff Widerspruchslösung bekannt geworden.
Der Bundesrat hatte Mitte September eine Änderung des Transplantationsgesetzes als indirekten Gegenvorschlag zur Initiative in die Vernehmlassung geschickt. Die Revision sieht wie die Initiative einen Systemwechsel vor, bezieht aber die Angehörigen mit ein. Der Bundesrat wolle Rücksicht nehmen auf alle Positionen bei dieser schwierigen Frage, erklärte Gesundheitsminister Alain Berset. Die Widerspruchslösung gehe dem Bundesrat zu weit.
In der Vernehmlassung ist grundsätzlich unbestritten, dass Handlungsbedarf besteht. Die katholische und die reformierten Kirche sprechen sich in dieser hoch ethischen Frage nicht grundsätzlich gegen Organspenden aus. Sie verwerfen aber sowohl die Initiative wie auch den Gegenvorschlag. Die CVP teilt diese Meinung, während SVP, FDP und die Grünliberalen eher den Gegenvorschlag unterstützen. Die SP gibt keine Empfehlung ab.
Die Bioethikkommission der Konferenz der Schweizer Bischöfe zeigt sich überrascht, dass der Bundesrat nicht den Empfehlungen der Nationalen Ethikkommission für Humanmedizin (NEK) gefolgt ist. Diese Kommission hatte ein drittes Modell vorgeschlagen. Demnach sollen Personen regelmässig aufgefordert werden, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und anzugeben, ob sie ihre Organe spenden wollen oder nicht. Diese Erklärungsregelung trägt nach Ansicht der NEK dem Selbstbestimmungsrecht am besten Rechnung.
Die Ethikkommission betont, dass eine Gesetzesrevision die Hoffnung von Patienten auf eine Organspende verbessern würde. Wichtig sei aber ebenso, dass die Organspender frei entscheiden könnten, was mit ihrem Körper nach dem Tod geschehe.
Die CVP würde eine höhere Verfügbarkeit an Organspenden ebenfalls begrüssen. Der Entscheid, ob jemand seine Organe spenden möchte, sei aber ein sehr persönlicher. Die Einführung der Widerspruchslösung stelle daher für die CVP einen zu grossen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar.
Die CVP kann aus diesen Überlegungen auch dem indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates für eine erweiterte Widerspruchslösung nicht zustimmen. Um dennoch eine höhere Spenderrate zu erreichen, favorisiert die CVP den Vorschlag der NEK zur Einführung des Erklärungsmodells.
Für die FDP sollte die Gesetzesrevision zum Ziel haben, die Zahl der Organspenden zu erhöhen. Die Partei bezweifelt aber, dass der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrates dieses Zeil erreichen wird. Die FDP verteidigt einen Vorschlag aus ihren Reihen, dem die Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates bereits einstimmig zugestimmt hat. Die obligatorische Versichertenkarte sollte genutzt werden, um den Spenderwillen festzuhalten.
Die SVP hält für die Organspende ein Erklärungsmodell für zielführend, das die Rolle der Angehörigen festhält und diese unterstützt. Der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrates gehe hier in die richtige Richtung. Das vorgeschlagene Widerspruchsregister lehnt die SVP hingegen ab. Die Partei plädiert vielmehr für praktikablere Lösungen, die auch für die Bevölkerungsinformation mit einem tragbaren Aufwand verbunden wären.
Die Grünliberalen ihrerseits begrüssen den Systemwechsel zur erweiterten Widerspruchslösung. Sie sind mit dem indirekten Gegenentwurf einverstanden. Der Systemwechsel allein werde zwar kaum dazu führen, dass die lange Warteliste bei Organspenden verschwinde. Sie sei aber ein wichtiger Baustein, um die Situation zu verbessern. Mit dem Wechsel zur erweiterten Widerspruchslösung werde die umfassende und regelmässige Information der Bevölkerung noch wichtiger.
Die SP betont, dass bei der Gesetzesrevision grösste Vorsicht geboten sei. Es gehe um das Recht auf Leben, aber auch um die Selbstbestimmung und physische Integrität von Menschen. Aus diesem Grunde bleibt die SP bei ihrer Antwort im Konsultationsverfahren, das heute Freitag zu Ende geht, vage. Sie gibt keine Empfehlung ab.
Die Initianten der Volksinitiative, das Jeune Chambre Internationale (JCI), zeigt sich befriedigt über den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrates. Dieser Vorschlag ziele in die richtige Richtung. Es sei wichtig, einen Schritt nach vorn zu gehen. Es sei aber noch zu früh, die Initiative zurückzuziehen. Es brauche noch viele Etappen, bis das Ziel der Initiative erreicht sei.
Die Schweizer Bevölkerung scheint derweil bereit für einen Systemwechsel. Gemäss einer Studie, die die Organisation Swisstransplant beim Forschungsinstitut GFS Bern in Auftrag gegeben hat, sprachen sich 76 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger eher für die Initiative aus, hätte die Abstimmung Ende August 2019 stattgefunden. 11 Prozent hätten zu diesem Zeitpunkt bestimmt Nein gesagt und 7 Prozent eher dagegen gestimmt.
(SDA)