Hamid Khalef (42) aus Bern ist am Boden zerstört. Seine Schwester Hafrin (†35), eine der grossen Hoffnungsträgerinnen für einen Frieden in Syrien, ist tot. Die syrisch-kurdische Politikerin wurde am Samstag bei Ain Issa kaltblütig erschossen. Die Täter, islamistische Schergen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (65), durchsiebten die Frau und ihre acht Begleiter mit unzähligen Schüssen aus nächster Nähe.
Trotz der Kriegsgräuel der vergangenen Jahre hatte Hafrin Khalef immer an eine friedliche Zukunft ihres Landes geglaubt. Aus diesem Grund hatte sie ihre 2018 gegründete Partei auch Zukunftspartei Syriens genannt. Das Parteilogo ist eine Jasminblüte. «Sie wollte, dass Syrien nach Jasmin duftet – statt nach Blut und Leid», sagt Bruder Hamid.
Der Sonnenschein der Familie
Hafrin Khalef war bei den Kurden äusserst beliebt, bei uns aber kaum bekannt. Sie wuchs im nordsyrischen Distrikt Derik als jüngstes Kind von vier Buben und zwei Mädchen auf. «Sie hat uns täglich zum Lachen gebracht, sie war der Sonnenschein der Familie», so ihr Bruder zu BLICK.
Die Familie kümmerte sich rührend um die Kleinste. Als sie als Mädchen das Dreiradvelo der Nachbarin nicht benutzen durfte, sparten und kratzten ihre Eltern und Geschwister alles Geld zusammen, um ihr eins zu kaufen. Selbst Hamid musste ab sechs Jahren nach der Schule Geld verdienen. In der Werkstatt seines Onkels wusch er Autos und Werkzeug.
Stets am Lernen
Hefrin war – zusammen mit ihrem jüngsten Bruder – die Einzige, die später studierte. Auch hier setzte sich die Familie für sie ein, indem sie hart schuftete und ihr so die Finanzierung der Ausbildung ermöglichte. Hamid Khalef sagt: «Sie war sehr intelligent und neugierig. Sie war die ganze Zeit am Lernen.» Ihr Wissen vermittelte sie weiter, indem sie jeweils abends Studenten auf deren Abschlussprüfung vorbereitete – gratis natürlich.
Als die Spannungen in ihrem Land zunahmen, begann sie, sich politisch zu engagieren. «Sie konnte nicht zusehen, wie die Leute litten», sagt Hamid Khalef. Vor zwei Jahren wurde sie zur Wirtschaftsministerin der Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien, des autonomen Gebiets der Kurden, berufen. Hamid Khalef: «Sie sagte immer: ‹Alle Kinder Syriens sind auch meine Kinder. Ich will, dass aus ihnen etwas wird.›» Ihre ganze Kraft setzte die Alleinstehende für ihr Land ein. «Sie war mit Syrien verheiratet», sagt ihr Bruder.
Nie richtig verabschiedet
Das letzte Mal hat Hamid seine kleinste Schwester vor zwölf Jahren gesehen, zwei Monate bevor er mit seiner Familie wegen des harten Assad-Regimes in die Schweiz geflohen ist. «Wir haben uns nie definitiv voneinander verabschiedet, weil wir zu diesem Zeitpunkt gar noch nicht wussten, dass wir ausreisen würden», sagt Hamid Khalef.
Die Familie Khalef wohnte zuerst in einem Asylheim in Basel, dann in Interlaken BE. Inzwischen haben die Eltern die C-Bewilligung, die drei Kinder (18, 16, 13) sind eingebürgert. Hamid arbeitete in einer Werkstatt und als Kurier und ist heute Hauswart des Blocks, in dem er wohnt. Seine Frau geht putzen. 2013 motivierten sie Hefrin, doch auch in die Schweiz zu ziehen. Sie habe abgelehnt, weil sie «ihr Land nicht im Stich lassen» wollte.
Hoffen auf eine Rückkehr
Hamid Khalef findet die Schweiz ein wunderschönes Land. Doch ihn zieht es in seine alte Heimat zurück. Sein grösster Wunsch ist daher: «Ich möchte, dass Syrien bald wieder nach Jasmin riecht.» Glaubt er denn bei all den Gräueltaten daran, den Frieden selbst zu erleben? Hamid Khalef nickt und sagt nur: «Wenn meine Schwester daran geglaubt hat, glaube auch ich daran.»
Aussergewöhnlich scharf reagiert nun der Bundesrat auf die türkische Invasion in Nordsyrien. Er nennt sie einen Verstoss gegen die Uno-Charta und somit völkerrechtswidrig. Von der Türkei fordert er, die Kampfhandlungen einzustellen. Stattdessen solle die Türkei auf dem Verhandlungsweg auf eine sofortige Deeskalation und eine politische Lösung hinwirken, schrieb der Bundesrat gestern.
Heute wird es in Ankara zu einem Treffen zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und US-Vizepräsident Mike Pence kommen. Pence und US-Aussenminister Mike Pompeo wollen sich in der türkischen Hauptstadt für einen Stopp der Offensive gegen die kurdische YPG-Miliz in Nordsyrien einsetzen.
Vor einer Woche waren türkische Soldaten im Nachbarland einmarschiert, nachdem US-Präsident Donald Trump Truppen abgezogen hatte. Es gab bisher über 200 Tote – rund 200’000 Menschen ergriffen bereits die Flucht.
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Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.
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