Vor 7500 Jahren eingewandert
Sind wir alles Südrussen

Boston/Jena/Basel – Wer sind die Ahnen der heutigen Mitteleuropäer? Eine Studie zeigt für Anfang und Ende der Jungsteinzeit zwei starke Zuwanderungswellen: vor 7500 Jahren aus dem Nahen Osten und vor 4500 Jahren aus Südrussland.
Publiziert: 02.03.2015 um 17:39 Uhr
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Aktualisiert: 09.09.2018 um 19:30 Uhr

Von diesen Gruppen stammen die heutigen Mitteleuropäer zu einem beträchtlichen Teil ab. Dies zeigen Genanalysen von insgesamt 94 Menschen, die vor 3000 bis 8000 Jahren lebten. Die Resultate könnten auch Aufschluss zum Ursprung der indoeuropäischen Sprachen geben, zu denen Deutsch zählt, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin «Nature».

Die Gruppe um David Reich von der Harvard Medical School in Boston (US-Staat Massachusetts) analysierte die Genome prähistorischer Europäer aus verschiedenen Phasen der Mittel- und Jungsteinzeit sowie aus der späteren Bronzezeit. Die untersuchten Menschen lebten auf den Gebieten von heutigem Deutschland, Ungarn, Schweden, Spanien und Russland.

Grundsätzlich schliessen die Forscher aus den Resultaten auf zwei grosse Einwanderungswellen jener Zeit, wie es in einer Mitteilung der beteiligten deutschen Max-Planck-Gesellschaft heisst. Die damals in Mittel- und Westeuropa lebenden Jäger und Sammler wurden vor etwa 7500 Jahren durch die ankommenden frühen Bauern teilweise verdrängt und in diese Gesellschaften integriert.

Diese frühen Zuwanderer sind einander aus genetischer Sicht erstaunlich ähnlich. «Die Frühbauern aus Spanien, Deutschland und Ungarn sind genetisch nahezu identisch, was auf einen gemeinsamen Ursprung im Nahen Osten schliessen lässt», sagt Erstautor Wolfgang Haak von der australischen Universität Adelaide.

Anders als bislang angenommen deutet die Untersuchung darauf hin, dass die indoeuropäischen Sprachen nicht mit diesen Zuwanderern nach Mitteleuropa gelangten, sondern erst mit der nächsten grossen Welle vor etwa 4500 Jahren. Diese Menschen entstammten der Yamnaya-Kultur auf dem Gebiet des heutigen Südrussland. An der Studie war auch die Archäologin Sandra Pichler von der Universität Basel beteiligt.

Neben den ursprünglichen Jägern und Sammlern und den Frühbauern stellen diese Viehhirten aus der eurasischen Steppen die dritte Gruppe, die die Forscher identifizierten. In Deutschland etwa taucht diese dritte Komponente erstmals bei den Schnurkeramikern am Übergang zwischen Jungsteinzeit (in Mitteleuropa 5500-2200 v. Chr.) und Bronzezeit (2200-800 v. Chr) auf.

«Die Ergebnisse legen nahe, dass die Schnurkeramiker nicht nur genetisch eng mit den Hirten aus der Steppe verwandt sind, sondern möglicherweise auch eine ähnliche Sprache hatten», vermutet Ko-Erstautor Iosif Lazaridis von der Harvard Medical School.

Das meint auch Haak: «Da sämtliche heutigen Mittel- und Nordeuropäer einen hohen genetischen Anteil der damaligen Steppenbewohner in sich tragen und zudem eine indoeuropäische Sprache sprechen, ist zumindest ein deutlicher Beitrag der Steppe nicht auszuschliessen.»

Diese Frage lassen die Forscher letztlich offen: «Unsere Ergebnisse stellen die Theorie der Sprachverbreitung im Zusammenhang mit der Einwanderung der ersten Bauern infrage», sagt Reich vorsichtig. Zur indoeuropäischen Sprachfamilie zählen mehr als 400 Sprachen, darunter neben Deutsch auch Englisch, Französisch, Griechisch, Russisch oder die iranischen Sprachen.

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