Kunstausstellung
Brillante Kokoschka-Retrospektive im Kunsthaus Zürich

Oskar Kokoschka (1886-1980) wird in der Schweiz nach drei Jahrzehnten erstmals wieder mit einer Retrospektive gewürdigt. Das Kunsthaus Zürich präsentiert den grossen Künstler ab Freitag mit 90 Gemälden und vielen weiteren Exponaten.
Publiziert: 13.12.2018 um 16:14 Uhr
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Aktualisiert: 13.12.2018 um 15:15 Uhr
Das Gemälde "Dent's du Midi" (1910) ist vom 14. Dezember 2018 bis 10. März 2019 im Kunsthaus Zürich in der Ausstellung "Okskar Kokoschka. Eine Retrospektive" zu sehen.
Foto: Fondation Oskar Kokoschka / 2018 Pro Litteris, Zürich

Nach der Uraufführung seines frühexpressionistischen Dramas "Mörder, Hoffnung der Frauen" (1909) und dessen Veröffentlichung in der Avantgardezeitschrift "Der Sturm" (Berlin 1910) als "Oberwildling" verschrieen, zeichnete sich Oskar Kokoschka als bildender Künstler durch regen Stilwechsel und ein malerisches Oeuvre von grosser thematischer Vielfalt aus.

In der von Cathérine Hug (Kunsthaus Zürich) brillant konzipierten und mit Heike Eipelbauer (Leopold Museum, Wien) wirkungsvoll mitkuratierten Zürcher Ausstellung sind zahlreiche Hauptwerke anzutreffen.

Von der berühmten Lithofolge "Die träumenden Knaben" (1908) und den Postkarten der Wiener Werkstätte bis zu den Stadtlandschaften um 1925 lösen sich unzählige Meisterwerke ab. Unter den hauseigenen Schätzen springen die Porträts "Helene Kann" und "Else Kupfer" sowie das "Stillleben mit Putto und Kaninchen" in die Augen.

Was Kokoschka als hervorragender Porträtist seinen Modellen an differenziertem Gesichtsausdruck abgewinnen konnte, geht besonders aus den Bildnissen von Karl Kraus, Adolf Loos, Carl Moll, Paul Scheerbart, Arnold Schönberg oder Anton Webern hervor.

Zu weiteren zentralen Werken zählen die Gemälde "Spielende Kinder", die Winterlandschaft "Les Dents du Midi", die farbintensive Dolomitenlandschaft "Tre Croci" in Grün, das "Doppelbildnis Oskar Kokoschka und Alma Mahler" und zwei der für sie geschaffenen Fächer.

Einen kühnen Quantensprung in die letztlich radikal abgelehnte Abstraktion wagte Kokoschka mit den Ölbildern "Dresden, Neustadt VII" (1922) und dem "Selbstbildnis mit gekreuzten Armen" (1923). Den Hintergrund in diesen von Aufbruchstimmung und Experimentierlust erfüllten Gemälden bilden fetzenartige Farbflächen, die sich von der bisherigen Maltechnik grundlegend unterscheiden.

Die wohl grössten Überraschungen der mit unbekannten Werken glänzenden Retrospektive bieten das "Wandbild für Alma Mahler" (1914) und die nervös aufgesplitterte, über ihre Entstehungszeit hinausweisende Stadtansicht von Amsterdam "Nieuwe Markt" (1925).

Das noch nie in der Schweiz gezeigte Triptychon "Die Prometheus Saga" (1950), ursprünglich ein Deckengemälde, wird vom Kunsthaus als Highlight angepriesen. Jetzt als Wandbild präsentiert, muss es mit anderen Augen gesehen werden.

Nicht zu übersehen sind die mit süsslicher Farbigkeit vollzogene Annäherung an den Kitsch und die chaotische Gestaltung. Als Anregung für die Neuen Wilden mag es immerhin von kunstgeschichtlicher Bedeutung gewesen sein.

Zusammen mit dem Triptychon "Thermopylae" (1954), den bis zum Lebensende folgenden Tafelbildern und Farbstiftzeichnungen spricht es mehrere Sprachen, vorwiegend diejenige des unaufhaltsamen Kräftezerfalls und einer polarisierenden Ästhetik.

So wurde aus dem träumenden Knaben und dem stürmisch aufbrausenden Oberwildling ein wenigstens mit Preisen und Titeln überhäufter zahmer Lahmer. Es gehört zu den Vorzügen dieser Retrospektive, dass die altersbedingten Schwächen des Künstlers, der kaum Selbstkritik kannte, mit schonungsloser Offenheit gezeigt werden.

Verfasser: Walter Labhart, ch-intercultur

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