Das Modell ist das erste, das einen derart breiten und zugleich genauen Einblick in die Wertschätzung von Landschaften durch Einzelpersonen bietet - und damit Grundlagen für die Umweltpolitik liefert. Entwickelt wurde es von Wissenschaftlern der ETH Lausanne (EPFL) und der Universität Wageningen (NL), wie die EPFL am Freitag mitteilte. Die Forschungsergebnisse wurden in «Scientific Reports» veröffentlicht.
Das Modell basiert auf rund neun Millionen Bildern, die auf Flickr gepostet wurden. Die Wissenschaftler trainierten einen Deep-Learning-Algorithmus auf über 200'000 Fotos von Landschaften in Grossbritannien aus der Scenic-Or-Not-Datenbank. Diese Fotos wurden im Rahmen einer Crowdsourcing-Umfrage nach ihrer ästhetischen Qualität, der «scenicness», bewertet.
Das Forscherteam liess dann sein Deep-Learning-Modell auf über neun Millionen Flickr-Bildern laufen und bezog auch andere KI-basierte Modelle in seine Vorhersagen zur landschaftlichen Schönheit ein. Schliesslich verglichen sie die Ergebnisse ihres Modells mit denen eines herkömmlichen, auf Umweltindikatoren basierenden Modells.
Bis zu einer Auflösung von 5 Quadratkilometern waren die Ergebnisse beider Modelle identisch: Städtische Gebiete wie Glasgow wurden als unattraktiv qualifiziert, der Snowdonia National Park in Wales, der Lake District in England und die schottischen Highlands dagegen als besonders schön und wohltuend.
Bei einer Auflösung von 500 Quadratmetern zeigten sich aber Unterschiede, und das Flickr-Modell erwies sich als genauer. So wurden beispielsweise der Grossraum London, der Richmond Park und der Flughafen Heathrow vom konventionellen Modell als landschaftlich sehr reizvolle Gebiete vorhergesagt, während das Flickr-Modell sie als ausgesprochen unattraktiv einstufte.
In einem weiteren Experiment untersuchte das Forscherteam, wie ästhetische Faktoren mit den Jahreszeiten zusammenhängen. Hier erwies sich das Flickr-Modell als genauer: So wurde etwa im neuen Modell festgestellt, dass die Wertschätzung von Schnee um das Wochenende herum zunahm, wenn die Menschen eher verschneite Landschaften besuchten. Das herkömmliche Modell deckte sich dagegen ganz einfach mit dem Wetterbericht.
«Dies zeigt, dass die Nutzung von Daten aus sozialen Medien eine Kombination von Informationen über den Zustand der Umwelt und die Interaktion der Menschen mit ihr liefert», sagt Devis Tuia, ausserordentlicher Professor am Environmental Computational Science and Earth Observation Laboratory der EPFL. «Solche Informationen wurden noch nie zuvor mit einem so hohen Grad an Genauigkeit gewonnen.»
In einem nächsten Schritt wollen die Forscher das Modell auf andere Länder anwenden. Zu diesem Zweck müssen sie nach eigenen Angaben einen Weg finden, um KI-Algorithmen anhand lokal relevanter Kriterien zu trainieren. Entsprechende Projekte werden bereits in den Niederlanden, Spanien und anderen europäischen Ländern durchgeführt, um die Umweltschutzpolitik in ganz Europa zu unterstützen.
(SDA)