Editorial über die Vier-Stimmen-Demütigung
Daniel Jositsch sollte die SP verlassen

Eines hat die Kandidatenkür der SP gezeigt: Die Sozialdemokraten und ihr beliebtester Parlamentarier haben sich entfremdet. Die beiden würden besser getrennte Wege gehen.
Publiziert: 26.11.2023 um 08:41 Uhr
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Aktualisiert: 26.11.2023 um 08:50 Uhr
Machte 236’775 Stimmen: Ständerat Daniel Jositsch.
Foto: keystone-sda.ch
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Reza RafiChefredaktor SonntagsBlick

Macht macht machtgeil: Ich lenke, also bin ich. Vor dieser Versuchung ist niemand gefeit, auch die Sozialdemokraten nicht, und die Politik lebt davon – wer die Gesellschaft beeinflussen will, braucht Handlungsgewalt. Macht ist eine politische Ressource.

Im Ringen um sie triumphierten gestern zwei Talente der SP: Nach gut sieben Stunden und 18 Wahlgängen kamen der Basler Regierungspräsident Beat Jans und der Bündner Nationalrat Jon Pult auf das Ticket für Alain Bersets Nachfolge.

Das bedeutet erstens eine Klatsche für Tamara Funiciello. Die Co-Präsidentin der SP-Frauen hatte im Vorfeld die Berner Regierungsrätin Evi Allemann auf den Knien zu einer Kandidatur überzeugt oder, je nach Sichtweise, überredet – an den Gremien der Berner SP vorbei und geradewegs ins Verderben: Allemann liess sich zum zweiten Mal in einem Bundesratsrennen verheizen. Absurd: Eine Vorzeigefeministin wird zur Ladykillerin, eine erfahrene Exekutivpolitikerin zum Kanonenfutter.

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Der andere Verlierer vom gestern heisst Daniel Jositsch. Mit mehr als einer Viertelmillion Stimmen der Bürgerinnen und Bürger ist der Zürcher Ständerat der bestgewählte Parlamentarier des Landes. Jositsch, ein Urgestein seiner Partei, begann einst als Schulpfleger in Stäfa und konnte mit seiner politischen Aufgeschlossenheit gegenüber bürgerlichen Haltungen stets Brücken nach rechts bauen, auch zum Vorteil seiner Genossen. Daniel Jositsch deckt damit in der SP den Gegenpol zu Tamara Funiciello ab.

Umso verstörender wirkt das Resultat der gestrigen Abstimmung: In den ersten Wahlgängen erzielte der über die Parteigrenzen hinweg beliebte Rechtsprofessor jämmerliche vier (!) von 49 Stimmen.

Vier Stimmen versus eine Viertelmillion: Es braucht keinen Politikwissenschaftler, um dieses Resultat zu deuten. Da liegt etwas im Argen, da geht es um einen Fall von Entfremdung – und man ertappt sich dabei, im tiefen Dunkel der Parlamentarierseelen nach Erklärungen für diese basisdemokratische Ohrfeige zu suchen.

Es liegt einzig an Daniel Jositsch, wie er mit der Demütigung umgehen wird. Jedenfalls scheint man sich gegenseitig nicht mehr nötig zu haben. Ein SP-Austritt Jositschs wäre nur folgerichtig.

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