Nigeria
Dunkle Geschäfte mit Hautaufhellern

Lagos – Isima Sobande war in der Ausbildung zur Ärztin, als sie erstmals von Müttern hörte, die die Haut ihrer Babys bleichen. Zunächst wollte sie es nicht glauben, doch dann behandelte sie in Lagos einen zwei Monate alten Säugling, der vor Schmerzen weinte.
Publiziert: 28.08.2018 um 11:52 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 21:14 Uhr
Auch in Kambodscha werden Bleichmittel zur Aufhellung der Haut angewendet. Sie wollen gut aussehen, «wie reiche Leute», ist eines der Argumente, das Frauen für eine Aufhellung der Haut ins Feld führen.
Foto: KEYSTONE/EPA/MAK REMISSA

«Er hatte grosse Furunkel am ganzen Körper», sagt die 27-jährige Nigerianerin leise. Die Mutter erklärte, sie habe eine Steroidcreme mit Sheabutter gemischt und damit die Haut ihres Kindes zur Aufhellung eingerieben. «Ich war entsetzt», sagt Sobande.

Für viele Nigerianer sind Bleichmittel das Tor zu Schönheit und Erfolg - Beobachter sehen darin ein Erbe des Kolonialismus. «Es ist eine Denkweise, die sich in die Gesellschaft eingefressen hat», klagt die Ärztin. «Für viele Leute ist das der Weg zu einem guten Job, einer Beziehung.»

Auch in Südasien und Nahost ist Skin-Bleaching beliebt, doch vor allem in Afrika ist der Trend nach Einschätzung medizinischer Experten mit vielen Gesundheitsrisiken behaftet - wegen oft laxer Gesetze.

Afrika erlebt «einen massiven Trend zu Bleichmitteln, vor allem bei Teenagern und jungen Erwachsenen», erklärt auch Lester Davids, Physiologie-Professor an der Universität von Pretoria in Südafrika. «Die ältere Generation benutzte Cremes - die neue Generation nimmt Pillen und Spritzen. Der Horror ist, dass wir nicht wissen, was diese Dinge in hohen Konzentrationen im Lauf der Zeit im Körper anrichten.»

Statistiken über die Branche gibt es kaum. Doch das Angebot an Produkten, Lieferanten und Dienstleistungen deutet auf einen Markt mit Dutzenden Millionen Verbrauchern in ganz Afrika. Allein in Nigeria verwendeten 2011 nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation 77 Prozent der Frauen oder mehr als 60 Millionen Menschen regelmässig Bleichmittel.

Experten zufolge steigt die Nachfrage in Afrika rapide - Unternehmen zielen dabei besonders auf die wachsende junge Bevölkerung. «Mehr Unternehmen wollen Einblick in den Aufheller-Markt», bestätigt Rubab Abdoolla, Analyst bei der Marktforschungsfirma Euromonitor International.

Wohlhabende entscheiden sich meist für teure, registrierte Produkte, andere kaufen eher Cremes - oft gesundheitsgefährdende Raubkopien, die in Hinterhöfen gemischt und trotz offizieller Verbote offen verkauft werden. Viele geben monatlich hunderte Euro aus. In Lagos kosten Cremes umgerechnet zwölf bis 47 Euro - bei einem Mindesteinkommen von 42 Euro. Bestandteile sind Hydrochinon, Steroide, Quecksilber und Blei. In hohen Dosen vergiftete dies einst Höflinge von Elisabeth I. im 16. Jahrhundert, die ihre Gesichter elfenbeinweiss puderten.

«Diese Chemikalien schädigen Atmungs-, Nieren- und Fortpflanzungsorgane», warnt ein Beamter der nigerianischen Drogenkontrollbehörde. «Sie verursachen Krebs, beeinträchtigen das Nervensystem, deformieren ungeborene Babys.» Ganz zu schweigen von empfindlicher Haut, unregelmässigem Teint und Ochronose, braunschwarze Einlagerungen im Hautgewebe durch Anhäufung von Säure.

Nigeria, Südafrika und Kenia haben alle Mittel mit hohem Anteil an Hydrochinon und Quecksilber verboten, die Provinz KwaZulu-Natal in Südafrika forderte die Bevölkerung sogar auf, «alle kolonialen Vorstellungen von Schönheit abzulehnen».

Im Juli warnte die ghanaische Nahrungs- und Arzeimittelbehörde alle Schwangeren, keine Glutathionpillen zum Bleichen ihrer ungeborenen Babys einzunehmen, weil sie «ernsthafte toxische Nebenwirkungen» wie «Asthma, Nierenversagen und Brustschmerzen» verursachen könnten.

Wer Bleichmittel verwendet, kann wohl nur schwer wieder aufhören: «Es wird eine Art Sucht, bei der man diesen Look beibehalten will», sagt Dabota Lawson, eine Prominente und Kosmetikunternehmerin in Lagos. «Wie bei der Schönheitschirurgie ist es nie genug.»

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