Demonstranten blockieren in ganz Frankreich die Strassen
0:35
Diesel-Demos in Frankreich:Demonstranten blockieren in ganz Frankreich die Strassen

Massendemos, Regierungsrücktritte, miese Umfragewerte
Darum macht Macron trotzdem alles richtig

Seine grössten Gegner tragen gelbe Warnwesten. Doch der französische Präsident Emmanuel Macron hält aus gutem Grund Kurs. Eine Analyse.
Publiziert: 23.11.2018 um 12:33 Uhr
|
Aktualisiert: 23.11.2018 um 15:58 Uhr
1/4
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat eine umstrittene Benzinsteuer durchgesetzt.
Foto: AP
Fabienne Kinzelmann

Gelbe Warnwesten sorgen normalerweise für Sicherheit im Strassenverkehr. In Frankreich jedoch kosteten sie am Montagmorgen einen Motorradfahrer das Leben. Der 37-Jährige fuhr an einem Stau vorbei, der sich wegen einer Strassensperre gebildet hatte – und krachte in einen Lieferwagen, der wenden wollte.

Der Mann war das zweite unbeabsichtigte Opfer der selbsternannten Gilets Jaunes, der gelben Warnwesten, die seit Samstag landesweit Strassen und Kreuzungen blockieren. Ihre Wut richtet sich natürlich nicht gegen Verkehrsteilnehmer, sondern gegen Emmanuel Macron: Der Präsident soll die Benzinsteuer zurücknehmen, die ab Januar schrittweise angehoben werden und zur Finanzierung der Energiewende dienen soll.

Bis 2020 zahlen sich die Reformen aus

Doch im Gegensatz zu seinen Vorgängern hält Macron Kurs. Die Blockierer ruft er zum Dialog auf, sozial Schwachen sagte er eine Unterstützung für das ebenfalls von der Benzin- und Dieselsteuer betroffene Heizöl zu – eingeknickt ist er nicht.

Was für ein Kontrast zu seinem Vorgänger François Hollande: Der regierte zögerlich. Macron hingegen macht Tempo. Ein Bericht der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) attestierte der Regierung bereits ein Jahr nach Antritt, 79 Massnahmen aus dem Wahlprogramm umgesetzt zu haben. Darunter eine Lockerung des starren Arbeitsmarktes, der Kündigungen und Zeitverträge kaum möglich machte, sowie Reformen zu Bildung, zum Asyl- und Einwanderungsgesetz und bei der Arbeitslosenversicherung. Und: Ökonomen sind sicher, dass sich Macrons Reformen bis 2020 auszahlen werden.

Auffallend ist zudem das stets würdevolle Auftreten des Präsidenten. «Dass er die royale Kulisse von Versailles so oft wie möglich nutzt, gefällt den Franzosen», sagt Frankreich-Experte Nino Galetti. «Zudem hat er ihnen eine bessere Grundstimmung vermittelt.»

Die Landbevölkerung begehrt auf

Doch das Stimmungsgefälle verläuft wie in vielen Ländern zwischen Stadt und Land: Bei der Warnwesten-Bewegung organisieren sich vor allem Nichtstädter. Pendler fürchten durch die Steuer finanzielle Nachteile, im Sommer mussten sie bereits ein Tempolimit auf Landstrassen hinnehmen. Die Regierung will damit Leben retten, doch drei Viertel der Franzosen halten die Geschwindigkeitsbegrenzung für unsinnig. Seither rauschen Emmanuel Macrons Beliebtheitswerte in den Keller. Aktuell liegen sie nur noch bei rund 25 Prozent.

1/36
Am Sonntag gehen die gehen die Proteste gegen die Dieselpreise in Frankreich weiter.
Foto: AFP

Und nicht nur miese Umfragewerte und Massendemos machen dem jungen Staatspräsidenten zu schaffen. Auch in der Regierung kriselt es. Drei Minister traten seit August zurück. Umweltminister Nicolas Hulot, ein bekannter Ex-Journalist, verkündete seinen Rückzug live im Radio. Er habe seit Amtsbeginn kaum etwas durchbringen können, klagte er. Das ist natürlich unschön für Macron, der sich auf der Weltbühne in Sachen Klima gern als Gegenpart zu US-Präsident Donald Trump verkauft. Dass die Nachbesetzung seines Innenministers Gérard Collomb zudem rund zwei Wochen dauerte, zeigte, dass es Macrons liberaler Partei En Marche an regierungserfahrenem Personal mangelt.

Am Samstag gibt es eine Mega-Demo

Doch der reformeifrige Präsident lässt sich von Personalfragen nicht beirren. Gewählt ist er bis 2022, er hat noch viele Ideen – und im Parlament eine satte Mehrheit. Jetzt müssen seine Erfolge nur noch sichtbarer werden. Macron habe Bewegung in das Land gebracht, sagt Experte Galetti. «Die bleiernen Jahre unter Hollande sind vorbei.»

Den gelben Warnwesten reicht das nicht. Für morgen haben sie eine Mega-Demo in der Hauptstadt geplant. «Paris wird tot sein», zitiert «Le Monde» einen der Protestführer. Das wird schwer, solange ihr Präsident so entschlossen für die Wiederbelebung kämpft. 

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?