Wilde Schlägereien, Krawalle, ein Toter und über ein Dutzend Verletzte: Es war ein schwarzes Fussball-Wochenende für Europa.
Gleich vier Hooligan-Gruppen gingen vor dem Spiel von Atletico Madrid gegen Deportivo La Coruña aufeinander los. Bei der wilden Strassenschlacht zwischen der rechtsextremen Frente Atletico und den linksextremen Riazor Blues wurde einer Person ein Messer in den Rücken gerammt, zwei Personen wurden in den Fluss Manzanares geworfen. Einer der beiden, Deportivo-Anhänger Francisco Romero Taboada (43), starb.
Nach der blutigen Auseinandersetzung zwischen verfeindeten Hooligans kam es Anfang Woche zu einem Krisentreffen der Anti-Gewalt-Kommission des spanischen Innenministeriums. Politiker fordern ein Stadionverbot für Ultra-Gruppierungen. Denn was an diesem schwarzen Sonntagnachmittag geschah, soll sich nie wiederholen.
«Heute ist einer der traurigsten Tage in der Geschichte des spanischen Fussballs», sagte Deportivo-Trainer Víctor Fernández noch bevor er vom Tod des Ultras erfahren hatte. Romero Taboada ist bereits die elfte Person, die seit 1982 bei Gewaltexzessen und Pyro-Dramen im Rahmen von Fussballspielen in Spanien ums Leben kam. Gewalt in und um Stadien stellt im Land des Ex-Weltmeisters ein grosses Problem dar. Auch, weil die meisten Gruppierungen eine politische Ausrichtung aufweisen - am extremen linken oder rechten Rand.
900 Verletzte letzte Saison in Deutschland
Auch Deutschland hat mit Gewalt im Fussball zu kämpfen, vor allem in den unteren Ligen und bei Spielen von Mannschaften aus den neuen Bundesländern. Am Samstag eskalierte die Situation nach einem Spiel der Drittligisten Hansa Rostock gegen Dynamo Dresden. Rostock-Anhänger bewarfen Polizisten und Gebäude mit Steinen, zündeten Mülltonnen und Sperrmüllhaufen an und zerstachen Autoreifen.
Solche Gewaltexzesse nehmen in Deutschland zu. Im Vergleich zur vorhergehenden Saison sei das gewalttätige Verhalten «so genannter Fussballfans im Bereich der beiden Bundesligen insgesamt angestiegen», hält die Zentrale Informationsstelle für Sporteinsätze in ihrem aktuellen Bericht über die Saison 2013/14 fest. Knapp 900 Personen wurden während dieser Periode verletzt – neun Mal mehr als in der Vorjahresperiode.
Die Ultras gehen zunehmend organisierter vor, eigentlich verfeindete Gruppen sprechen sich ab. Im Gegensatz zu Spanien ist die Gewalt in Deutschland allerdings nicht politisch motiviert. Nur gut vier von hundert bundesweit erfassten gewalttätigen Fans sind laut der Informationsstelle links- oder rechtsextrem.
Keine Spiele in Griechenland nach Schiri-Attacke
Während sich die Gewalt in Deutschland gegen Polizisten richtet, hat in Griechenland der Angriff auf einen Schiedsrichter zur Fussball-Krise geführt. Drei Wochen lang fanden im Land keine Meisterschaftsspiele statt, nachdem am 14. November Schiri Christoforos Zografos überfallen und zusammengeschlagen worden war.
Aber kein anderes Land in Europa hat so schwer mit gewalttätigen, meist rechtsextremen Hooligans zu kämpfen wie Polen. Mit 60 Messerstichen wurde 2011 der Anführer einer Ultra-Gruppierung in Krakau niedergemetzelt – er ist bei Weitem nicht der einzige Tote, den Kämpfe zwischen rivalisierender Hooligans bislang forderten. Die seit Anfang 20. Jahrhundert andauernde Feindschaft zwischen den zwei Krakauer Mannschaften Wisla Krakow und KS Cracovia wird auch «Heiliger Krieg» genannt.
Auch in Schweden starb im Mai diesen Jahres ein Zuschauer: Vier Hooligans prügelten «völlig unprovoziert» einen 43-jährigen Familienvater tot, in Holland sorgte Chaoten fast für den Abbruch des Cup-Finals - 30 Verhaftungen noch auf der Tribüne waren die Folge.
Ausgerechnet England zeigt wie es geht
In England, dem Mutterland nicht nur des europäischen Fussballs, sondern auch der Hooligans, hat man die Gewalt in und um Stadien inzwischen weitgehend ausgemerzt. Obwohl nicht wenige Spiele ganz ohne Polizeipräsenz stattfinden, verläuft eine Mehrheit von ihnen friedlich.
Grund dafür ist unter anderem ein ausgeklügeltes Ticket-System. Für ein Risikospiel werden beispielsweise nur Fans zugelassen, die eine Saisonkarte besitzen und eine gewisse Anzahl Auswärtsspiele besucht haben. Ausserdem gilt ein striktes Alkoholverbot – nicht erst im Stadion, sondern bereits in Fanzügen oder -bussen.
In Zürich nimmt die Gewalt zu
Und in der Schweiz? Hier ist es seit der Verschärfung des Hooligan-Konkordats in vielen Kantonen ebenfalls möglich, Alkohol in Stadien zu verbieten. Vergangenen Sonntag sagte Schaffhausen als 18. Kanton Ja zum Konkordat.
Doch dass die Bewilligungspflicht von Fussballspielen verbunden mit Auflagen das Problem der Fangewalt nicht lösen kann, zeigte sich noch am selben Abend. Vor Beginn des Spiels gegen den FC Basel versuchten Zürcher den Letzigrund zu stürmen. Einem Polizisten wurden dabei Zähne ausgeschlagen. Nach Abpfiff gingen die Krawalle weiter. Beamte wurden mit Steinen, Feuerwerkskörpern und Leuchtpetarden beworfen.
In den vergangenen zwei Monaten habe sich die Situation in Zürich verschärft, sagt Marco Cortesi von der Zürcher Stadtpolizei. «Leider stellen wir wieder ein verstärktes Auftreten von gewaltorientierten Leuten fest», sagt er. Das, nachdem die Gewaltbereitschaft nach Einführung des Konkordats noch rückläufig war.
«Zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort»
Ob private Sicherheitsangestellte, Polizisten, «normale» Fans: Gegen wen die Hools gewalttätig werden, sei meist zweitrangig. «Oft richtet sich die Aggression gegen Menschen, die überhaupt nichts mit der Situation zu tun haben. Sie sind einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort», sagt Cortesi.
Gesamtschweizerisch könne man allerdings nicht grundsätzlich von einer Zunahme der Gewaltbereitschaft sprechen, sagt der Sprecher der Stadtpolizei, die auch die Zentralstelle für Hooliganismus führt. «Es kommt ganz darauf an, welcher Club gegen welchen spielt und wie die aktuelle Tabellensituation aussieht.»
Zu einem Todesfall ist es im Rahmen von Fussballspielen in der Schweiz noch nie gekommen. «Es gab aber sehr gravierende Vorfälle mit teilweise Schwerverletzten», sagt Cortesi. Ein besonders trauriges Kapitel stellt dabei der Meisterschafts-Match zwischen dem FCZ und dem FC Basel 2006 dar. Der Zürcher Fan Roli Maag hat nach dem Spiel einen Streit schlichten wollen, als ihm ein anderer FCZ-Anhänger die Faust ins Gesicht schlug. Der heute 35-Jährige stürzte bewusstlos zu Boden und erwachte erst zwei Wochen später aus dem Koma. Seither ist Maag teilweise gelähmt.
Geändert hat sein Schicksal leider nichts. Es wird fast Wochenende für Wochenende rund um Schweizer Stadien geprügelt. (lha)