Wegen des neuartigen Coronavirus dürfen dutzende Millionen Chinesen ihre Städte nicht mehr verlassen, und auch die sonst so grossen Neujahrsfeiern werden massiv eingeschränkt. Wissenschaftler haben verschiedene Erklärungen, warum die Furcht vor einem winzigen Virus besonders gross ist und wie sich damit umgehen lässt:
Warum macht das Virus solche Angst?
«Es gibt ein angeborenes Angstgefühl bei Krankheitsausbrüchen, im Wesentlichen, weil es sich um einen für das menschliche Auge unsichtbaren Feind handelt», sagt Seuchen-Experte Adam Kamradt-Scott von der University of Sydney. Schliesslich könne niemand wissen, ob er infiziert ist, «bis er Symptome entwickelt, und dann kann es zu spät sein».
Darüber hinaus lassen sich Viren anders als bakterielle Infektionen nicht mit Antibiotika behandeln, hebt der Mediziner Sanjaya Senanayake von der Australian National University hervor. Und virale Atemwegserkrankungen breiteten sich offenbar schneller von Mensch zu Mensch aus als bakterielle Infektionen.
Der Medizinhistoriker Laurent-Henri Vignaud weist darauf hin, dass die Angst vor Epidemien historische Wurzeln hat. «Was einem hier am meisten in den Sinn kommt, ist die Pest», verweist er auf die Infektionskrankheit, die im Mittelalter Europas Bevölkerung dezimierte.
Das neue Coronavirus passt ausserdem zu der geschichtswissenschaftlichen Theorie, dass Epidemien die jeweiligen Lebensbedingungen einer Epoche widerspiegeln. So hängt die Gefahr des neuen Erregers laut Vignaud mit der Globalisierung zusammen. Deren gute Seite sei, «dass Du ein Flugzeug nehmen und in ein paar Stunden irgendwo auf der Welt sein kannst». «Die Kehrseite ist, dass das Virus jetzt mit Dir reisen kann», fügt der Medizinhistoriker hinzu.
Was können die Behörden tun?
Der wichtigste Faktor für die Furcht vor 2019-nCoV scheint seine Ähnlichkeit zu dem Sars-Erreger zu sein. Durch die ebenfalls durch ein Coronavirus verursachte Atemwegsinfektion waren in den Jahren 2002/2003 fast 780 Menschen gestorben, die meisten in Festland-China und Hongkong. Die chinesische Regierung hatte monatelang gezögert, bevor sie Stellung bezog. Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verwehrte sie zunächst den Zugang.
Beim neuen Virus fahren die chinesischen Behörden hingegen schwere Geschütze auf. In mehr als einem Dutzend Städten wurde der öffentliche Verkehr ausgesetzt, damit die Bewohner nicht in andere chinesische Orte reisen. Mehr als 41 Millionen Menschen sind von diesen Vorsichtsmassnahmen bereits betroffen.
Grossveranstaltungen zur Feier des chinesischen Neujahrsfests am Samstag wurden abgesagt und bedeutende touristische Attraktionen wie die Verbotene Stadt in Peking und Teile der Chinesischen Mauer bleiben geschlossen.
Warum kann Angst kontraproduktiv sein?
Der Infektiologe Tom Solomon von der University of Liverpool warnt, Massnahmen wie Quarantäne für ganze Metropolen könnten sich als «kontraproduktiv» erweisen: «Das kann den Grad der Panik erhöhen und Menschen dazu bringen, auf andere Weise zu fliehen.»
Rania MacIntyre, Leiterin des Forschungsprogramms für Biosicherheit an der University of New South Wales, mahnt, nicht nur das Virus, sondern auch die Angst vor ihm müsse eingedämmt werden. Um gefährliches irrationales Verhalten zu verhindern, müssten die Behörden eine «Balance» zwischen Transparenz und Beruhigung der Bevölkerung finden.
Welche Rolle spielen die Medien?
«Medien tragen entscheidende Verantwortung, dass nur genaue, sachliche Informationen berichtet werden», sagt Kamradt-Scott. Auf «Spekulationen und Übertreibungen bei dieser Art von Ereignissen» sollten sie verzichten.
Senanayake meint, da die Krankheit noch relativ neu sei, müssten die Medien die Öffentlichkeit stetig über die neuesten Entwicklungen informieren. Die ständige Berichterstattung könne die Gefahr durch das neue Virus, mit dem sich nur ein paar hundert Menschen weltweit infiziert hätten, allerdings grösser erscheinen lassen als sie ist.
Das neue Coronavirus hält die Welt in Atem. Doch was genau ist das Sars-ähnliche Virus überhaupt? Wie entstand es? Und wie kann man sich schützen? BLICK klärt hier die wichtigsten Fragen und hält Sie im Newsticker auf dem Laufenden.
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