Die landesweiten Proteste am Sonntag mit Schwerpunkten in Brasília, Rio de Janeiro und São Paulo fielen allerdings deutlich kleiner aus, als die Massenproteste in den vergangenen Jahren. In der brasilianischen Hauptstadt kamen nur einige hundert Demonstranten zusammen, in Rio waren es mehrere tausend.
Auch in São Paulo waren es deutlich weniger als bei den Massenkundgebungen während der vergangenen beiden Jahre gegen die schliesslich durch ein Amtsenthebungsverfahren entmachtete ehemalige Präsidentin Dilma Rousseff.
Beim den Demonstrationen am Sonntag trugen viele der Demonstranten die gelben Trikots ihrer Fussballnationalmannschaft oder hatten sich in die Nationalflagge gehüllt. Sie forderten eine Fortsetzung und Beschleunigung der Korruptionsermittlungen um den staatlichen brasilianischen Ölkonzern Petrobras, auch als «Operation Car Wash» bekannt.
«Wir unterstützen Car Wash. Die Operation muss bis zum Ende gehen», sagte eine der Organisatorinnen der Proteste in Rio, Teresa Kohler. Die Verantwortlichen müssten bestraft werden, forderte die 51-jährige Aktivistin.
In den Petrobras-Skandal sind Dutzende Politiker verwickelt. Nach Angaben aus Ermittlerkreisen will die Generalstaatsanwaltschaft des Landes womöglich gegen mehr als hundert Politiker vorgehen. Staatsanwalt Rodrigo Janot hatte Brasiliens Obersten Gerichtshof Mitte März gebeten, mehr als 80 neue Ermittlungsverfahren zu genehmigen. Allein ein halbes Dutzend Mitglieder der Mitte-rechts-Regierung von Rousseffs Nachfolger Michel Temer soll im Visier der Justiz sein.
In Brasília gibt es jedoch Bestrebungen, die Ermittlungen zu verschleppen. Der Zorn der Demonstranten entzündet sich dabei vor allem an einem Gesetz, das sämtliche Strafermittlungen gegen Politiker beim Obersten Gerichtshof des Landes ansiedelt. Das höchste Gericht Brasiliens arbeitet notorisch langsam, es dauert in der Regel Jahre, bis Strafermittlungen in mögliche Prozesse münden.
Im Zentrum des Korruptionsgeflechts stehen neben Petrobras der Baukonzern Odebrecht und andere Baufirmen. Dutzende Politiker sollen Schmiergelder von den Firmen angenommen haben, das in ihren eigenen Taschen landete oder für Parteienwahlkämpfe ausgegeben wurde. Im Gegenzug erhielten die Unternehmen gutbezahlte Aufträge für den Staatskonzern.