Noch immer hält Neapel den Atem an. Die kleine Noemi (3), die am Freitagnachmittag gegen 17 Uhr mitten in der Stadt von einem Mafia-Killer aus Versehen niedergeschossen wurde, ist noch nicht über den Berg. Das Kind hängt an Schläuchen. Es liegt im Koma, wird künstlich beatmet.
Zwar hätten die starken Blutungen nach der Not-OP, die in der Nacht auf Samstag vorgenommen wurde, nachgelassen. Es habe keine neuen Transfusionen gegeben, sagt der Chefarzt der pedriatischen Chirurgie im Kinderspital Santobono. Die Wunden würden gut heilen. Das Herzchen schlägt stabil.
Dennoch machen sich die Chirurgen grosse Sorgen um ihre kleine Patientin. Kollege Massimo Cardone, Chefarzt der Intensiv-Station, erklärt gegenüber der italienischen Presse: «Noemis Situation ist noch immer kritisch und die Prognose ungewiss.»
«Noch nie eine derartige Verletzung gesehen»
Die Ärzte erklären, wie das Mädchen mitten auf dem Trottoir die verheerende Verletzung erlitt. Die 9-Millimeter-Vollmantel-Kugel aus der Schusswaffe des Mafia-Killers habe die rechte Schulter des Kindes durchdrungen. Sie zertrümmerte Teile des Brustkorbes, bohrte sich durch beide Lungen, vorbei an der Hauptschlagader und am Herzen. Schliesslich blieb sie zwischen zwei Rippen stecken. «Wir haben noch nie zuvor eine derart komplexe, umfangreiche Verletzung gesehen», sagt Giovanni Gaglione an einer Medienkonferenz. «Es ist eine regelrechte Kriegswunde».
Es sei gelungen, die Blutung zu stoppen. Kleine Knochenfragmente jedoch konnten nicht aus den Lungen entfernt werden. Es drohe, so der Chirurg weiter, eine hochgefährliche Infektion. Verzweifelt versuchen die Ärzte eine gezielte Therapie mit Antibiotika, um eine mögliche Entzündung in den Griff zu kriegen.
Innenminister Matteo Salvini besucht das Krankenhaus
Vier Tage nach dem Attentat, bei dem nicht nur Noemi schwer verletzt wurden, sondern auch das eigentliche Ziel des Killers, der Mafia-Rivale Salvatore Nurcaro (31), besuchte Innenminister Matteo Salvini (46) das Krankenhaus. Der Lega-Politiker war von Neapels Bürgermeister Luigi De Magistris (51) scharf kritisiert worden, weil er erst seine Wahlkampf-Tour durch Italien beendete, bevor er nach Neapel reiste.
Während Salvini im Spital die Familie trifft, versammeln sich vor dem Tor die Mütter des Viertels. Es sind drei Dutzend – und es werden zunehmend mehr. Sie halten brennende Kerzen in der Hand, behängen das eiserne Eingangstor des Kinderspitals mit bunten Luftballons. Und sie beten. Ihre Botschaft an Noemi: «Wir kämpfen mit Dir!»