Handball-Posse
Jetzt sind die Kadetten plötzlich krank!

Rund um das heute geplante Spitzenspiel Wacker Thun – Kadetten Schaffhausen entwickelt sich eine Farce. Der Verband geht kurzfristig auf einen Verschiebungsantrag der Schaffhauser ein. Gastgeber Thun passt das nicht.
Publiziert: 18.02.2015 um 16:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:52 Uhr
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Lukas von Deschwanden erzielt für Thun sieben Tore.
Foto: Keystone
Von Marc Ribolla

In der Thuner Lachenhalle ist eigentlich alles bereit für das Spitzenduell in der NLA-Finalrunde am Mittwochabend zwischen dem Zweiten Wacker Thun und dem Dritten Kadetten Schaffhausen. Doch der Match – angesetzt um 19.30 Uhr – wird nur für Wacker stattfinden.

Von den Gästen aus der Ostschweiz wird in der Halle nichts zu sehen sein. Denn um den Hit spielt sich in den letzten zwei Tagen eine Farce sondergleichen ab.

Was ist passiert? Der Zentralvorstand des Handball-Verbandes (ZV) entscheidet am späten Dienstagabend – keine 24 Stunden vor Anspiel –, auf ein Rekursgesuch um Spielverschiebung seitens der Schaffhauser einzugehen.

Damit überstimmt der ZV den Entscheid der Wettspielbehörde der Handball-Liga, die den Antrag zuerst abgelehnt hat.

Die Kadetten wollen den Spitzenkampf in Thun verschieben, weil sie sich am nächsten Samstag im letzten Champions-League-Spiel in Dünkirchen mit einem Remis unerwartet doch noch für die Achtelfinals qualifizieren können.

Dieser guten Ausgangslage räumt der Verband eine grosse Priorität ein, weil die Kadetten so auch wichtige Punkte für die Europacup-Startplätze der Schweiz sammeln können.

Am Mittwoch-Mittag taucht plötzlich auch noch ein Schreiben der Kadetten an den Verband auf. Die Kadetten sind jetzt plötzlich krank, datiert ist der Brief auf den 17. Februar.

«Im Laufe der letzten 24 Stunden hat die Grippewelle auch unsere 1. Mannschaft getroffen. Ein grosser Teil der Mannschaft ist daher nicht in der Lage zu trainieren bzw. am Spiel gegen Wacker Thun teilzunehmen. Beiliegend erhalten Sie die Arztzeugnisse per PDF. Die originalen Zeugnisse werden wir Ihnen ebenfalls noch per Post zukommen lassen. Daher bitten wir um die Neuansetzung des Spiels Wacker Thun – Kadetten Schaffhausen.» Komisch: bisher war in der Angelegenheit nie von einer Krankheitswelle die Rede.

«Wir können nicht so kurzfristig absagen»

Für Gastgeber Wacker Thun kommt aber eine Spielverschiebung wegen der Kurzfristigkeit nicht in Frage. Aus ihrer Sicht ist die Wettspielbehörde zudem letztinstanzlich entscheidend.

Deshalb bereiten sich die Thuner Spieler und der Verein ganz normal auf das Spiel vor. Die Werbeplachen werden montiert oder die Livestream-Übertragung vorbereitet, die Cracks spielen sich ein usw.

«Für uns findet der Match statt. Wir können nicht so kurzfristig absagen. Das Catering ist schon eingekauft und der Aufwand für ein Spiel ist enorm. Zudem ist die Partie gegen die Kadetten für uns sportlich und wirtschaftlich wichtig. Wir erwarten heute 1700 bis 1800 Fans», sagt Wacker-Präsident Reto Zwahlen zu Blick.ch.

Der Thuner CEO Fred Bächer sagt seinerseits: «Es wird nicht mit gleichen Ellen gemessen. Drum wirds Zeit, dass mal jemand aufsteht.» Bächer spielt auf eine ähnliche Situation vor drei Jahren an.

2012 stand Wacker Thun im Challenge-Cup-Europacupfinal und beantragte eine Spielverschiebung in der NLA, um sich besser vorbereiten zu können.

Das Gesuch wurde abgelehnt – damaliger Gegner waren die Kadetten Schaffhausen... Prompt verletzte sich Top-Spieler Jakub Szymanski (Handbruch) und fehlte anschliessend im Final, der verloren wurde.

Am Mittwochmittag richtet Wacker auf der Website einen letzten Appell an den Gegner. «Mit dem sehr kurzfristigen Anliegen, das Spiel von heute Mittwoch abzusagen, können wir uns vor dem Hintergrund der Gesamtsituation leider nicht einverstanden erklären und wir appellieren an die Fairness der Kadetten, dass ihr Euch heute Abend zum Spiel in der Lachenhalle einfindet», heisst es dort.

Verband schickt keine Schiedsrichter

Doch die Schaffhauser werden nicht nach Thun reisen. Mediensprecherin Barbara Imobersteg sagt zu Blick.ch: «Wir haben die entsprechende Rekursmöglichkeit wahrgenommen und berufen uns auf den schriftlichen Verschiebungs-Entscheid des Zentralvorstandes.»

Damit ist das Match offiziell auch aus dem Spielkalender auf der Verbands-Website verschwunden. SHV-Sprecher Marco Ellenberger erklärt Blick.ch: «Es werden dementsprechend auch keine Schiedsrichter und Inspizienten nach Thun fahren. Wann die Partie nachgeholt wird, ist offen. Sicher muss dies vor Ende der Finalrunde Mitte April passieren.»

Auf der Verbandsseite sagt ZV-Mitglied Klaus Wellershoff: «Die Thuner sagen heute zu Recht, dass der damalige Entscheid unglücklich war, und aus ihrer Sicht sogar falsch. Ich kann darum nicht verstehen, warum wir den Entscheid noch einmal falsch treffen sollten. Das Ergebnis im Jahr 2012 war unbefriedigend für alle. Wir müssen heute nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen.»

Zudem versucht er, den Thunern den Wind aus dem Ärger-Segel zu nehmen. «Die Rechtslage ist eindeutig. Wacker Thun hat vielleicht übersehen, dass wir uns in einem Übergangsjahr befinden und dass die Entscheide weitergezogen werden können. Das Spiel ist definitiv verschoben», sagt Wellershoff.

Klar ist, dass das heutige «imaginäre» Spiel ein juristisches Nachspiel haben wird. «Wir werden auf jeden Fall den Rechtsweg beschreiten und ein Forfait fordern, wenn die Kadetten nicht erscheinen», sagt Wacker-Bächer.

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